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Mindestsicherung: Wien wehrt sich Mindestsicherung: Wien wehrt sich
Soziales

Mindestsicherung: Wien wehrt sich

Wien wird den vorliegenden Regierungsentwurf zur Mindestsicherung - falls er in dieser Form kommt - nicht umsetzen.
Vanessa Kogler
Donnerstag, 10. Jänner 2019
Verfasst am 10.01.2019 von Vanessa Kogler

Die Kritik am Rückbau der bedarfsorientierten Mindestsicherung reißt nicht ab. Nach diversen Menschenrechtsorganisationen hat sich heute auch die Wiener Stadtregierung in Sachen Sozialhilfe Neu zu Wort gemeldet. Heute Donnerstag, endet ja die Begutachtungsfrist für die Sozialhilfe neu. Das Wichtigste vorweg: Wien will das Gesetz in dieser Form nicht umsetzen.

„Wir werden das Gesetz ohne umfassende Reparaturen nicht in Kraft setzen“, sagt der zuständige Sozialstadtrat Peter Hacker am Donnerstag. „Das Gesetz ist Müll“, bekräftigt beim Pressetermin die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein.

"Gesetz für viele existenzbedrohend"

Wien hält dieses aus mehreren Gründen für undurchführbar. Zum einen verliere das unterste soziale Netz die Aufgabe der Existenzsicherung. Zugleich würden mit der Regelung aber etwa fremdenpolizeiliche und arbeitsmarktpolitische Aufgaben den Ländern "untergejubelt" - obwohl der Bund dafür zuständig sei.

Für den Ressortchef lässt der Entwurf auch jegliche Transparenz vermissen: "Das Gesetz ist nicht in der Lage, eine bundesweite Vereinheitlichung zu erreichen." Auch würden sich eine Reihe von Bestimmungen widersprechen. Nach Ansicht Wiens fehlt auch eine klare Festlegung, ob Mindestsicherungsempfänger sozialversichert sind. Die Tatsache, dass zwar Höchstbeträge, aber keine Mindestbeträge im Gesetz enthalten sind, lasse zudem auch die theoretische Möglichkeit offen, die Sozialhilfe auf null zu senken.

"Verwaltungsaufwand enorm"

Hacker beklagt außerdem einen "enormen Verwaltungsaufwand", der nun drohe. Aus dem Entwurf schreie der "Bürokratiehengst" entgegen. Die Verfahrensdauer werde sich erhöhen - genauso wie der finanzielle Aufwand, zeigte er sich überzeugt. Wie die Mehrkosten zu beziffern seien, könne man noch nicht sagen. Jedoch seien im Rathaus bereits erste Schätzungen erstellt worden: "Nach einigen Dutzend Millionen Euro Mehraufwand haben wir aufgehört zu rechnen." Schwierig zu prüfen seien etwa Leumund, Vermittelbarkeit oder Pflichtschulabschlüsse. Mitunter gebe es nicht einmal Datenbanken, auf die automatisch zugegriffen werden könne.

Experten der Stadt Wien haben 17 Verfassungswidrigkeiten bzw. Widersprüche zu europäischen Gesetzen festgestellt. Der blauen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hat die rot-grüne Stadtregierung nun 46 Fragen geschickt. Die Hoffnung: Dass noch im Februar ein runder Tisch in der Causa stattfindet und dass der vorliegende Entwurf noch überarbeitet wird. Ansonsten wird das Gesetz wohl im Laufe des heurigen Jahres in Kraft treten.

Wien-Bashing von Kurz und Strache

Mit heftiger Kritik hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die Ankündigung von Wien, die Mindestsicherungsreform nicht umzusetzen, reagiert. Er zeichnete bei der Regierungsklausur in Mauerbach am Donnerstag ein düsteres Bild von der Bundeshauptstadt. Hier würden in vielen Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) erinnerte bei der Regierungsklausur in Mauerbach Wien daran, "dass wir in einem Rechtsstaat leben und die rot-grüne Wiener Stadtregierung wird sich auch an den Rechtsstaat halten müssen. Sonst wandert die Kompetenz vom Land zum Bund. So gesehen sehe ich dem ganzen gelassen gegenüber", sagte Strache.

Verfassungsexperte: Wien sitzt am kürzeren Ast

Wien dürfte es in Sachen Mindestsicherung schwer haben, sich gegen den Bund durchzusetzen, es sei denn, das Gesetz wäre ohnehin verfassungswidrig, erläutert Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk auf Anfrage der APA.
Denn würde Wien an seiner derzeitigen Regelung der Mindestsicherung nichts ändern, würde die Kompetenz an den Bund wandern, Würde wiederum Wien das Gesetz anders vollziehen als vom Bund vorgegeben, dann könnte sich letzterer mit einer Klage an den Verfassungsgerichtshof wenden. (apa/vk)