1. Mai: „Mit uns zieht die neue Zeit“
Der 1. Mai ist in Wien schon seit knapp 200 Jahren ein Tag, der besonders gefeiert wird. Zwischen 1820 und 1847 fanden im Augarten die berühmten „1.-Mai-Konzerte“ statt. Am 1. Mai 1890 wurde erstmals im Prater ein Maiaufmarsch der Arbeiterschaft zum Kampf für den achtstündigen Arbeitstag abgehalten. 1918 führte dann der Maiaufmarsch erstmalig über die Ringstraße zum Rathaus. Während der Zeit des Ständestaates (1934-1937) wurden die Maifeiern der Sozialdemokraten verboten und der 1.Mai zum „Tag der (ständestaatlichen) Verfassung“ erklärt. Während der NS-Zeit (1938-1945) hieß der 1.Mai „Tag der deutschen Arbeit“.
Nach dem Ende des II. Weltkrieges wurde der 1.Mai wieder zum Staatsfeiertag und die demokratische Tradition der Maifeiern wieder aufgenommen. Fast ein Vierteljahrhundert lang hielt Michael Häupl seine Reden als Wiens Bürgermeister am Tag der Arbeit am Rathausplatz. Am 24. Mai wird er sein Amt an Michael Ludwig übergeben.
Dieser spricht in seiner ersten 1.-Mai-Rede über die Aufgaben, die er als Wiens Bürgermeister angehen wird müssen: „Die großen Herausforderungen sind in Zeiten der Digitalisierung den Wirtschaftsstandort Wien zu stärken und gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit zu sorgen“, so Ludwig. Dafür braucht es, so der designierte Bürgermeister: „mehr Sozialdemokratie und mehr gelebte Solidarität.“ Er zitiert das Lied der Arbeiterbewegung „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘“ und sagt: „Mit uns zieht die neue Zeit. Die Sozialdemokratie war schon immer die Bewegung, die sich den Herausforderungen der Zeit stellte.“
Hart geht er mit der neuen Regierung ins Gericht und verspricht Widerstand gegen den 12-Stunden-Tag: „Wir lassen uns einen 12-Stunden-Tag nicht von dieser Regierung aufoktroyieren.“ Mit den Worten: „Hoch der 1. Mai. Glückauf. Freundschaft“, verabschiedet sich Ludwig.
Renate Brauner ruft Frauen auf, sich der SPÖ anzuschließen: „Wenn wir gemeinsam vorgehen, sind wir stark und die schwarz-blaue Retropolitik hat keine Chance.“ Die neue AK-Präsidentin Renate Anderl stellt viele arbeitspolitische Forderungen, darunter auch nach: „einen 1.700 Euro Mindestlohn.“
Christian Kern bedankt sich am Anfang ironisch bei der schwarz-blauen Regierung für den „Rekordbesuch am Wiener Rathausplatz und 2.500 neue Mitglieder“ seit dem Amtsantritt der Kurz-Strache-Regierung. In der längsten Rede aller fünf Redner warnt er vor den Auswirkungen des Kapitalismus: „Wir müssen schauen, dass der digitale Kapitalismus nicht die größte Umverteilungsaktion der Menschheitsgeschichte von unten nach oben wird. Wir müssen ins Gemeinwohl, in den Sozialstaat investieren“, so der Bundesparteiobmann der SPÖ.
Die „lebende Legende“, wie Kern Häupl bezeichnete, eröffnet die Rede mit einem Scherz: „Ich dachte schon, ich stehe vor der sozialdemokratischen Seligsprechung“, repliziert er auf die Lobeshymnen seiner Vorredner. Schnell wechselt er zur aktuellen Politik und spricht davon, dass ein „kalter Wind“ derzeit wehe. Er verspricht Widerstand, aber auch, dass er sich nicht ganz aus der Politik zurückziehen wird: „Ich verabschiede mich nicht. Ich werde mich Zeit meines Lebens für die sozialdemokratischen Prinzipien einsetzten. Tag und Nacht.“ Die vom Publikum verlangte „Zugabe“ verweigert Häupl und wünscht allen zum Schluß noch "einen schönen 1. Mai.“