So lebten die WienerInnen im Mittelalter
Entstanden sind sie um das Jahr 1400, aber erst 1979 wurden sie wiederentdeckt: die beeindruckenden Wandmalereien in einem Privathaus in der Wiener Innenstadt, die Geschichten in der Tradition des Hofsängers Neidhart (1180-1240) erzählen. Der Festsaal mit den farbenfrohen Motiven ist eine Dependance des Wien Museums. Die Außenstelle wurde nun neu gestaltet.
Rund um die Malereien wird jetzt auch anhand von Objekten und multimediale Stationen das Leben zu jener Zeit vermittelt. Dieses war zumindest im Haus Tuchlauben 19 eher von der vornehmen Sorte. Denn der Auftrag für die Gemälde kam vom Eigentümer des Hauses, dem Tuchhändler Michel Menschein, der es den historischen Quellen zufolge zu einigen Reichtum gebracht hatte. Der - nicht zur Gänze erhaltene - Wandschmuck stellt einen Bildzyklus dar, dessen Szenen sich an den Musikdichter Neidhart, aber offenbar auch den Schwänken seines Epigonen Neidhart Fuchs, der rund 100 Jahre später wirkte, anlehnen.
Zu sehen sind festliche Szenerien, Tanzgesellschaften, eine Schneeballschlacht und ähnliche Vergnügungen. Auch das nicht einfache Verhältnis der verschiedenen sozialen Schichten ist Thema. Religiöse Motive sind hingegen ausgespart. Das Werk stellt somit die älteste säkulare Raumdekoration Wiens dar, wie Museumschef Matti Bunzl sowie die Kuratoren Michaela Kronberger und Nathaniel Prottas bei der Präsentation am Mittwoch erläuterten.
Die Wandgemälde sind in Seccotechnik ausgeführt, bei der die Farbe auf den trockenen Verputz aufgebracht wird. Es handelt sich somit um keine Fresken, bei denen die Pigmente auf den noch feuchten Kalk aufgetragen werden. Der früher gebräuchliche Begriff Neidhart-Fresken wird aus diesem Grund nicht mehr verwendet, wie heute betont wurde. Die Bilder wurden im Zuge der Neugestaltung nicht behandelt oder renoviert. Jedoch sorgt nun unter anderem eine spezielle Beleuchtung dafür, dass sie besser zu sehen sind.
Die adaptierte Ausstellung beinhaltet außerdem weitere, die Gemälde ergänzende Objekte. So ist etwa Geschirr ausgestellt, das den mittelalterlichen Alltag nachvollziehbar machen soll. Nicht zuletzt für Kinder wurden einige rekonstruierte Gegenstände - wie ein Kettenhemd - ausgestellt, die auch berührt werden dürfen. Multimedia-Angebote bieten zudem einen virtuellen Einblick in das mittelalterliche Wien bzw. in das auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Gebäude.
Dieses blieb übrigens bis zuletzt im Besitz des Tuchhändlers Menschein. Andere Häuser musste er um 1415, nachdem er in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, verkaufen. Das Objekt und auch der Festsaal wurden in den vergangenen Jahrhunderten zum Teil stark verändert. Der 15 Meter lange Bildzyklus blieb zudem lange Zeit verborgen. Erst bei einer Wohnungsrenovierung Ende der 1970er-Jahre kam er wieder zum Vorschein. Letztendlich wurden die Räumlichkeiten den Museen der Stadt Wien angegliedert. (APA/Red)