Mindestsicherung sorgt für starre Fronten
Die Mindestsicherungsreform hat am Donnerstag zur erwartet kontroversiellen Debatte im Nationalrat geführt. Während ÖVP-Klubobmann August Wöginger von einem "Meilenstein der Sozialpolitik" sprach, sah SPÖ-Fraktionschefin Pamela Rendi-Wagner die Regierung 70.000 Kinder in ein chancenloses Leben schicken.
Die SPÖ-Vorsitzende war es auch, die den Auftakt der Debatte bestimmen durfte. In ihrer Rede attestierte sie der Regierung, dass ihr der menschliche Anstand fehle: "Es ist eine Bundesregierung, die Menschen und Bundesländer gegeneinander ausspielt", so Rendi-Wagner in Anspielung darauf, dass die Länder einander bei der neuen Sozialhilfe unterbieten können.
Sie verstehe die Mindestsicherung als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt, meinte die SPÖ-Chefin. Was vorgelegt werde, sei jedoch ein Sprungbrett in die Armut. Besonders stieß sich Rendi-Wagner an der Kürzung des Betrags für Kinder ab dem dritten Kind: "Sie verfrachten 70.000 Kinder in ein chancenloses Leben. Sie vererben Armut", prangerte die rote Fraktionsvorsitzende einen kaltherzigen Umgang mit Kindern an.
Sehr ungewöhnlich war daraufhin, dass die zuständige Ressortchefin sofort selbst zur Replik schritt. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) schilderte die Mindestsicherungs-Nachfolgeregel als Modell, das mehr Chancen, mehr Fairness und mehr Gerechtigkeit bringe. Die Regierung bekenne sich zum Sozialstaat, der dort Hilfe leiste, wo sie nötig sei. Besonders hob sie da den Fokus auf Alleinerziehende und Behinderte hervor, ebenso den Abänderungsantrag, wonach Zuschüsse für Heizkosten doch nicht gegengerechnet werden.
Den von der SPÖ seit Tagen erhobenen Vergleich mit Deutschland wies Hartinger zurück: "Ich habe immer gesagt, mit mir Hartz IV nicht."
Zur Seite sprang Hartinger FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch, die das Ausländerthema aufs Tapet brachte. Die Reform sei nämlich auch eine Reaktion auf den steigenden Anteil der Asylberechtigten unter den Mindestsicherungsbeziehern. Hier werde "endlich" ein Riegel gegen die weitere Zuwanderung ins Sozialsystem vorgelegt. Daran werde sich auch die Gemeinde Wien halten müssen, sprach Belakowtisch frühere Drohungen von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) an, die Vorgaben des entsprechenden Rahmengesetzes in der Bundeshauptstadt nicht umzusetzen.
Von "schmutziger und schäbiger Politik" und einem "Armutszeugnis" sprach daraufhin NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Denn: "Dieses Regierung würde sogar den Wetterbericht auf Ausländer framen, wenn das ginge." Die Reform sei letztlich viel Lärm um nichts, die Mindestsicherung werde sogar teurer. Es gehe einzig darum, wieder das Ausländer-Spielfeld zu betreten und entsprechende Ressentiments zu bedienen. Was es seiner Ansicht nach bräuchte, wäre eine Zusammenlegung von Notstandshilfe und Mindestsicherung mit einer auszahlenden Stelle.