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Ausnahmezustand nach FPÖ-Affäre Ausnahmezustand nach FPÖ-Affäre
Politik

Ausnahmezustand nach FPÖ-Affäre

Die schwarz-blaue Bundesregierung ist nach dem so genannten "Ibiza-Video" schwer unter Druck.
Hannes Huss
Samstag, 18. Mai 2019
Verfasst am 18.05.2019 von Hannes Huss

Die Veränderung, die Bundeskanzler Sebastian Kurz noch vor der Nationalratswahl vesprochen hat, könnte jetzt - nach eineinhalb Jahren Regierungszeit - in eine ganz andere Richtung gehen, als der ÖVP-Obmann es ursprünglich gewollt hat . Denn, wie bereits berichtet, haben der "Spiegel" und die "SZ" am Freitag ein heimlich gefilmtes Video veröffentlicht, auf dem der FPÖ-Chef im Juli 2017 mit einer vermeintlichen russischen Investorin in Ibiza über Staatsaufträge für millionenschwere Spenden spricht - und von angeblichen (jetzt dementierten) hohen Spenden österreichischer Firmen erzählt.




Die Opposition forderte umgehende Konsequenzen - von Straches Rücktritt bis zu Neuwahlen. Wie die ÖVP reagiert, blieb vorerst unklar. Sie kündigte für Samstag eine Stellungnahme von Bundeskanzler Sebastian Kurz an. Die FPÖ dementierte alle erwähnten Geldflüsse - und ging in die Gegenoffensive.

Generalsekretär Christian Hafenecker stellte in einer Aussendung die Frage, wer von der Veröffentlichung kurz vor der Wahl profitierte - und zeigte sich "an die sattsam bekannten schmutzigen Silberstein-Methoden aus dem Nationalratswahlkampf 2017" erinnert. Er kündigte Rechtsschritte wegen der "offensichtlich illegalen" Aufnahme an.

Wie schon Strache und der ebenfalls im Video zu sehende FPÖ-Klubochef Johann Gudenus gegenüber "Spiegel" und "SZ" betonte Hafenecker, dass erwähnte Spenden nicht eingegangen seien. Die FPÖ habe "niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder selbigen gewährt". Und Strache habe in diesem Gespräch mehrmals die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung betont.

Das Video von dem sechsstündigen Treffen Straches und Gudenus' mit der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen wurde "Spiegel" und "SZ" zugespielt. Es war offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden, berichteten sie. Der "Lockvogel" soll erzählt haben, eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen - und deutet an, dass es sich um Schwarzgeld handle. Strache und Gudenus reden dennoch mit ihre über Anlagemöglichkeiten.

Strache berichtet in veröffentlichten Videoausschnitten, dass "ein paar sehr Vermögende" im Wahlkampf - im Oktober 2017 wurde der Nationalrat gewählt - zwischen 500.000 und zwei Mio. Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden, ohne dass dies dem Rechnungshof gemeldet würde. Strache nennt u.a. Waffenproduzent Gaston Glock, die Milliardärin Heidi Goess-Horten, den Unternehmer Rene Benko sowie den Glücksspielkonzern Novomatic. Alle vier dementierten umgehend, dass sie an die FPÖ gespendet hätten.

Übernahme der Krone geplant

Der jetzige Vizekanzler stellt der Frau öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht: "Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich heute zusagen kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr!", sagt er. Hans Peter Haselsteiner ist der langjährige Vorstandsvorsitzende und Miteigentümer des Baukonzerns Strabag.

Außerdem träumt Strache von der Übernahme der "Kronen Zeitung": "Wenn sie die Kronen Zeitung übernimmt drei Wochen vor der Wahl und uns zum Platz eins bringt, dann können wir über alles reden", sagte Strache. Denn: Würde die "Krone" die FPÖ zwei, drei Wochen vor der Wahl pushen, "dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34" Prozent.

Auch um Agitation gegen andere Parteien ging es. Wenn man kompromittierendes Material aus dem Privatleben seiner politischen Rivalen beschaffen könnte und im Ausland lancieren würde, dann würde niemand wissen, dass die FPÖ dahinter steckt: "Würde es uns gelingen, von einer Seite Fotos zu organisieren, die wir übers Ausland spielen, würde die andere Seite glauben, die andere war's und der atomare Krieg geht los. Es muss uns das Kunststück gelingen, eine Seite sichtbar zu machen, damit die andere losschlägt."

Journalisten als "Huren"

Journalisten nennt Strache "sowieso die größten Huren auf dem Planeten" - ausgenommen nur Richard Schmitt, Chefredakteur der "Krone online". Außerdem spricht der FPÖ-Chef davon, das österreichische Mediensystem nach dem Vorbild Ungarns gestalten zu wollen. Unter der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban wurde die Pressefreiheit in dem Land massiv eingeschränkt.

Strache und Gudenus äußerten sich Freitag abend zwar nicht - aber sie hatten "SZ" und "Spiegel" auf Anfragen das Treffen bestätigt, aber Gesetzesbrüche bestritten: Es sei "ein rein privates" Treffen in "lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre" gewesen, teilte Strache schriftlich mit: "Auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung wurde von mir in diesem Gespräch bei allen Themen mehrmals hingewiesen." Er oder die FPÖ hätten "niemals irgendwelche Vorteile" von den erwähnten Personen erhalten oder gewährt.

Opposition fordert Rücktritt

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig forderte, dass sowohl Strache als auch Gudenus "sofort ihre Funktionen zurücklegen müssen". Strache zeige damit "das wahre Gesicht der FPÖ, die sich als 'soziale Heimatpartei' tituliert, aber in Wahrheit als Partei der Großspender entpuppt". Ludwig sieht nun Kurz am Zug, der "sofortige Konsequenzen" ziehen müsse.

Die Opposition forderte weitrechende Konsequenzen - vom Rücktritt Straches bis hin zu Neuwahlen. "Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen. Für Bundeskanzler Kurz gibt es nur einen Weg: Der Gang zum Bundespräsidenten", forderte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in einer Aussendung Straches Rücktritt. Aus Sicht von NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger führt "an Neuwahlen kein Weg mehr vorbei"; Strache und Gudenus seien rücktrittsreif. Die Klubobleute von JETZT halten Strache als Vizekanzler nicht mehr für tragbar, Kurz müsse ihn "augenblicklich entlassen". Grünen-Chef Werner Kogler sieht für Kurz nur eine Möglichkeit: "Die Regierung mit dieser blauen Bande aufkündigen. Oder er wird selbst untragbar." (APA/Red)

Bild: Andy Wenzel