Österreichs Regierung am Ende
Es ist fix: Österreichs Regierung aus ÖVP und FPÖ ist – nach nur eineinhalb Jahren im Amt – an der FPÖ zerbrochen, bereits in den letzten Wochen haben zahlreiche „Einzelfälle“ am ursprünglich stets zur Schau gestellten Koalitionsfrieden genagt. Nach dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ zu Mittag gab es dann schließlich kein Zurück mehr. Nur eine Woche vor den Wahlen zum Europäischen Parlament ist Österreichs auch international stark kritisierte und von liberalen Kräften äußerst ungeliebte Regierung zerbrochen, die Veränderung, die Kurz der Bevölkerung versprach, ist schließlich anders ausgefallen, als es sich der 32-Jährige wohl gewünscht hat.
Zehrender Tag voller Polit-Hick-Hack
Der Bundeskanzler hat die Bevölkerung und auch die Medien heute lange warten lassen. Zuerst hieß es, Kurz würde zu Mittag vor die Presse und die Kameras treten, um ein Statement zur „Ibiza-Video“-Affäre und zum Rücktritt seines Vizekanzlers und bisherigen Vertrauten, Heinz Christian-Strache, abzugeben. Dann wurde der Termin auf den Nachmittag verlegt – um ihn schließlich noch einmal zu verschieben.
Um 19:50 Uhr war es dann schließlich soweit. Kurz im Bundeskanzleramt vor dutzenden Journalisten: „Die FPÖ schadet mit diesem Verhalten dem Reformprojekt und dem Ansehen unseres Landes und es widerspricht dem Zugang, den ich zur Politik habe“, so der Kanzler. Er hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorgeschlagen, Neuwahlen – und zwar „so rasch wie möglich“ – durchführen zu lassen.
Die Gegenbewegung der ohnehin vielfach umstrittenen rechtspopulistischen Regierung hat draußen indes immer mehr an Fahrt aufgenommen, bis zu 10.000 Menschen haben sich in der Zwischenzeit auf dem Ballhausplatz versammelt, um gegen die schwarz-blaue Koalition zu demonstrieren und für Neuwahlen einzutreten.
Die Stimmung zeigte sich bisweilen aufgeheizt, laut Polizei ist die Demo aber weitestgehend dennoch friedlich verlaufen, wenngleich die Spontankundgebung binnen kurzer Zeit – im Grunde über Nacht – auch für die Wiener Polizei zu einer unkalkulierbaren Größe angewachsen ist.
Ganz aufgeben wollte Kurz die Koalition zunächst nicht. In Anbetracht der dramatischen Umstände – immerhin hatte Kurz erst vor zwei Jahren die damalige Koalition mit der SPÖ aufgesprengt - wäre es fast zu einer Fortsetzung mit seinem Prestigeprojekt „Türkis-Blau“ gekommen – allerdings nur, wenn die FPÖ auf Innenminister Herbert Kickl verzichtet hätte, was sie aber partout nicht wollte, Kurz hatte nämlich angedeutet, es sich noch einmal zu überlegen, wenn das Innenministerium wieder in die Hände der Volkspartei zurückkäme. Diese Idee wurde von den Freiheitlichen, die nun wohl moralisch am Boden liegen, abgeschmettert, nun muss Infrastrukturminister Norbert Hofer aus den Trümmern der Partei, die Heinz-Christian Strache und Klubobmann Johann Gudenus zu verantworten haben, wohl etwas Neues generieren.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht die volle Verantwortung für das Scheitern der türkis-blauen Regierung bei Bundeskanzler Sebastian Kurz. „Österreich hat eine andere, eine ehrliche Regierung verdient“, so die SPÖ-Chefin. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und der Grünen-Chef Werner Kogler wie auch die Liste JETZT zeigen sich angesichts dieser dramatischen Ereignisse „erleichtert“, dass die Koalition nun ein vorzeitiges Ende gefunden hat. (Hannes Huss)