Asyl: Kundgebung gegen Abschiebungen aufgelöst
Eine Protestaktion gegen die Abschiebung von drei Schülerinnen nach Georgien bzw. Armenien ist Donnerstagfrüh in Wien-Simmering von der Exekutive aufgelöst worden. 160 Personen, darunter Nationalratsabgeordnete der Grünen, der SPÖ und der NEOS, hatten dagegen vor Ort mobil gemacht. Vergeblich, die Abschiebungen wurden durchgeführt, berichtete Polizeisprecher Daniel Fürst. Der Grüne Nationalratsabgeordnete Georg Bürstmayr bezeichnete die Abschiebung als "unverhältnismäßig".
Wie die Polizei in einer Aussendung weiters mitteilte, hätten die Demonstranten die Ausfahrt des Polizei-Konvois beim Abschiebezentrum in der Zinnergasse 29 mit sperrigen Gegenständen wie Misttonnen und Einkaufswägen barrikadiert. Zudem kam es zu Sitzblockaden.
An der Protestaktion nahmen in der Nacht auch mehrere Nationalratsabgeordnete teil. Neben dem Grünen Asyl- und Sicherheitssprecher Bürstmayr waren seitens des Juniorpartners in der Koalition der Grüne Klimaschutzsprecher Lukas Hammer, Bildungssprecherin Sybille Hamann und Netzpolitiksprecher Süleyman Zorba vor Ort. Von der SPÖ nahm Nationalratsabgeordneter Jan Krainer an dem Protest teil, seitens der NEOS Stephanie Krisper.
Im Vorfeld besonders debattiert wurde der Fall einer zwölfjährigen Schülerin, die Montagabend mit ihrer Mutter und laut deren Anwalt fünfjährigen Schwester von der Fremdenpolizei in ein Abschiebezentrum gebracht wurde. Die Gymnasiastin, die im ersten Wiener Gemeindebezirk die Schule besuchte, fand die Unterstützung von Lehrern und Mitschülern, die mit ihrer guten Integration und der Hochphase der Pandemie gegen die Abschiebung argumentierten und (wie im Fall einer weiteren - armenisch-stämmigen - 20-jährigen Schülerin im zehnten Wiener Gemeindebezirk) eine Petition starteten.
Im Innenministerium verwies man darauf, dass mehrere höchstgerichtliche Entscheide vorliegen, die eine Außerlandesbringung vorsehen. Bei der 12-jährigen georgischen Schülerin war der Fall nach Informationen der APA zumindest rechtlich eindeutig. Denn die Familie befand sich bereits seit vier Jahren unrechtmäßig im Land, der Vater allerdings zuletzt legal mit einem Touristen-Visum. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem Asylverfahren festgehalten, dass die lange Aufenthaltsdauer nicht zuletzt wegen beharrlicher Nichteinhaltung der behördlichen Vorgaben gegeben sei.
Dennoch argumentierten ihre Unterstützer vor allem damit, dass die beiden Töchter in Österreich geboren und entsprechend integriert seien. Unterstützung für die georgische Familie äußerten unter anderem auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dessen Vize Christoph Wiederkehr (NEOS). Zumindest Verständnis zeigte Sozialminister am Mittwoch Rudolf Anschober (Grüne).
Bürstmayer bezeichnete das Vorgehen im Gespräch mit der APA am Donnerstag als "unverhältnismäßig", das Bild vor Ort habe aufgrund der großen Polizeipräsenz fast an einen "Antiterroreinsatz" erinnert. Die Räumung der Sitzblockade durch die Polizei sei zwar grob, aber kurz gewesen - "es gibt am Polizeieinsatz nicht weiß Gott was zu bekritteln", sagte er. "Aber es geht ein bisschen in Richtung Verbannung. Ich bin als Anwalt viel gewohnt, das tut mir weh."
Bürstmayer sprach von einem "besonderen Fall". Denn die Kinder seien in Österreich aufgewachsen, die ältere Tochter habe "gerade einmal zwei Jahre (zwischenzeitlich, Anm.) in Georgien verbracht", die übrige Zeit in Österreich. Er vertrete "grundsätzlich die Rechtsmeinung, Kinder haben eigene Rechte, sie haben ein eigenes Recht auf Privat- und Familienleben", so Bürstmayr - er leite das Recht nicht nur von dem der Eltern ab. Auch sei die letzte Rückkehrentscheidung der Behörden schon ziemlich alt gewesen. Sie stammt laut dem Anwalt der Familie, Wilfried Embacher, aus dem September 2019. Man könne also davon ausgehen, dass sich seitdem eine wesentliche Änderung des Sachverhalts ergeben hat. Nach einem laut Embacher im Mai 2020 gestellten Antrag auf Bleiberecht sei aber nichts geschehen, bis dann die Abschiebung durchgeführt wurde.
Zurückhaltend äußerte sich Bürstmayr zur Frage, inwieweit der Fall Einfluss auf die Stimmung in der türkis-grünen Koalition haben könnte. "Ich bin kein Prophet, aber dass uns diese Fragen besonders nahegehen, ist kein Geheimnis." Man richte sich jedoch nicht sofort etwas über die Medien aus. Er hoffe vor allen Dingen, dass sich solche Fälle nicht wiederholen, "vielleicht lässt sich das auch wieder irgendwie auflösen (der konkrete Fall, Anm.)". Eine Gesetzesänderung brauche es für eine andere Vorgehensweise nicht unbedingt. "Die Rechtsbestimmungen kann man auch liberaler auslegen", sagte er. (APA)