"Türkises Kartenhaus bricht zusammen"
Politwirbel: Mittwochfrüh ist es zu mehreren Hausdurchsuchungen im Umfeld der ÖVP gekommen, die Ermittler interessierten sich für Daten und Unterlagen von engen Vertrauten von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Betroffen waren Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Medienbeauftragter Gerald Fleischmann, Berater Stefan Steiner und deren Arbeitsplätze im Kanzleramt und der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse, bestätigte ein Sprecher von Kurz der APA. Besuch hatte auch das Finanzministerium.
Hier geht es zum Video zur Hausdurchsuchung in der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse
Neue Vorwürfe - Deals mit der Tageszeitung Österreich?
Die Volkspartei hatte bereits in den vergangenen Tagen öffentlich mit Hausdurchsuchungen spekuliert und entsprechende Gerüchte unter Journalisten beklagt. Die Hausdurchsuchungen dürften eher nicht im Zusammenhang mit dem U-Ausschuss und den Casino-Ermittlungen stehen, sondern mit neuen Vorwürfen rund um Zeitungsinserate, wie "Presse" und "Kurier" online berichten. Nach Informationen der APA geht es um Deals mit "Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner noch vor Kurz' Zeit als Regierungschef.
Laut dem Ö1-"Mittagsjournal" sollen Bundeskanzler Kurz selbst wie auch der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium und ÖBAG-Chef Thomas Schmid unter den Beschuldigten sein. Neben Bestechung und Bestechlichkeit gehe es auch um Untreue, zitierte Ö1 aus der Anordnung zur Hausdurchsuchung. Der Kern der Vorwürfe lautet, dass Umfragen im Interesse der ÖVP per Scheinrechnungen als Leistungen für Studien des Finanzministeriums abgerechnet worden seien, also das Finanzministerium Umfragen für Kurz bezahlt habe, berichtet Ö1. Zudem soll mit der Tageszeitung "Österreich" eine Vereinbarung getroffen worden sein, dass im Zusammenhang mit irrelevanten Umfragen Inserate geschaltet wurden, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Ö1 zufolge. Die Tageszeitung "Österreich" selbst weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Die Opposition hat die am Mittwoch bei der ÖVP und im Kanzleramt durchgeführten Hausdurchsuchungen als Bestätigung für den Korruptionsverdacht im Umfeld von Kanzler Sebastian Kurz gesehen. "Für Kurz und die türkise Familie wird es immer enger", kommentierte die SPÖ. Die "Verdachtsfälle rund um illegale Parteienfinanzierung und Stimmenkauf durch Inserate" hätten sich spätestens seit dem "Projekt Ballhausplatz" gehäuft, meinten die NEOS.
FPÖ/NEOS/SPÖ kritisieren Türkis
Die Hausdurchsuchungen seien ein "starkes Indiz dafür, wie dick die türkise Suppe mittlerweile ist. Das türkise Kartenhaus bricht krachend zusammen", findet SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Dadurch sei klar, warum die ÖVP die vergangenen Tage so nervös gewesen sei. Deutsch nannte es "besonders letztklassig", wie die ÖVP auf die Ermittlungen der unabhängigen Justiz reagiere: "Kurz ist auf Tauchstation und schickt seine Handlanger Schwarz und Hanger aus, um die unabhängige Justiz zu diskreditieren und in ihrer Aufklärungsarbeit zu behindern."
Für FPÖ-Chef Herbert Kickl sind die Hausdurchsuchungen "der letzte und völlig unmissverständliche Hinweis, dass diese Regierung und insbesondere ihr Chef mittlerweile völlig handlungsunfähig sind". "Kurz muss weg. Sein Rücktritt ist überfällig", so Kickl.
"Der türkisen Partie geht es nur um eines: Macht", kritisierte NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos, der sich nun von der Volkspartei volle Kooperation mit den Ermittlern der Justiz erwartet: "Die türkise ÖVP muss ihr unwürdiges Beschädigen des Rechtsstaates umgehend einstellen und zur Aufklärung beitragen." Hoyos nahm in diesem Zusammenhang auch Grünen-Justizministerin Alma Zadic in die Pflicht: "Während die ÖVP seit Wochen systematisch die unabhängige Justiz mit haltlosen Vorwürfen beschießt, schaut die grüne Ministerin wort- und tatenlos zu."
Nur knapp kommentierte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer die Vorgänge: "Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht", sagte sie vor dem Ministerrat. (APA/Red)
Bild: F. C. Heinisch