Chaos um Nacht-Ausgangsbeschränkung
Kurz nach dem Inkrafttreten des Lockdowns für Ungeimpfte am Montag geisterte bereits die nächste "Schock-Meldung" in den Medien herum. Ein neues Maßnahmenpaket von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (G) würde auch Ausgangsbeschränkungen für Geimpfte beinhalten - sozusagen der nächste Step, um die alarmierenden Corona-Neuinfektionszahlen einzudämmen.
Damit träfen etwaige Maßnahmen auch Geimpfte hart, die Nachtgastro müsste wieder zusperren. Bürgermeister Michael Ludwig wollte sich an diesen Spektulationen am Montag am Rande einer Pressekonferenz zur Kinderimpfung nicht beteiligen. Für Wien tritt mit Ende der Woche ein eigenes Maßnahmenpaket in Kraft, eine Ausgangsbeschränkung für Geimpfte ist darin nicht enthalten.
Kanzler, Bundes-SPÖ, NEOS sagen strikt Nein zu neuen Regulierungen für Geimpfte
In die Diskussion hat sich Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) eingeschaltet. Er erteilt damit dem Vorschlag von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine Absage, der eine generelle nächtliche Ausgangssperre angesprochen hatte. Auch die SPÖ lehnt den Vorschlag zu gegebenem Zeitpunkt ab, müsse man doch erst einmal schauen, wie die gerade ergriffenen Maßnahmen wirken. Die NEOS würden dagegen sogar zum VfGH gehen.
"Es dürfen die Geimpften nicht die Dummen sein", war die Maxime von NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker bei einer Pressekonferenz. Wenn es eh egal sei, ob man sich impfe oder teste, dann werde erst recht niemand eine Impfung abholen, argumentierte er. Er würde höchst persönlich vor den Verfassungsgerichtshof gehen, wenn man trotz Impfung und regelmäßigem Testen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen unterworfen werde, erklärte Klubvize Nikolaus Scherak. Auch dem Lockdown für Ungeimpfte kann er wenig abgewinnen, weil er skeptisch ist, dass dieser über den 2G-Bereich hinaus etwas bringt.
"Eine Ausgangssperre ist ein sehr massiver Eingriff in persönliche Freiheitsrechte, in die wirtschaftliche Situation und ins soziale Gefüge", argumentiert der stellvertretende Klubchef Jörg Leichtfried bei einer Pressekonferenz am Montag: "Wenn es andere Möglichkeiten gibt, soll man diese auf jeden Fall nützen." Diesbezüglich schweben Leichtfried etwa eine verstärkte FFP2-Maskenpflicht, bei bestimmten Treffen 2G-Plus oder forciertes Home-Office vor. Ähnlich argumentierte auch Schallenberg im Ö1-"Morgenjournal".
"Natürlich schließe ich nicht aus, dass wir nachschärfen", sagte Schallenberg. Aber dass "wir noch einmal in die Nachtgastro gehen, das sehe ich derzeit nicht". Die Coronasituation werde laufend beobachtet. Mückstein hatte angekündigt, am Mittwoch über weitere Verschärfungen der Coronamaßnahmen zu diskutieren - darunter nächtliche Ausgangsbeschränkungen auch für Geimpfte. "Es wird auch für geimpfte Menschen nächtliche Ausgangsbeschränkungen geben. Das ist Teil des Maßnahmenpakets, das am Tisch liegt", so der Gesundheitsminister.
Und auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hält "überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers". In einem Gespräch mit Journalisten am Rande des EU-Agrarrats am Montag in Brüssel sprach sie sich "absolut gegen allgemeine Ausgangsbeschränkungen" aus. "Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren gesehen, dass Lockdowns nur bedingt wirken", erklärte Köstinger. Im März 2021 hätte es etwa trotz Lockdowns rund 9.000 Neuinfektionen pro Tag gegeben, "die Akzeptanz in der Bevölkerung war nicht mehr vorhanden". Die ÖVP-Ministerin bekräftigte: "Neben der Experteneinschätzung gibt es die Lebensrealität der Menschen."
Ablehnung kam auch von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Dieser forderte hinsichtlich der Diskussion um die Sperre der Nachtgastronomie: "Schluss mit der Verwirrung". Erst am Sonntag haben die Länder gemeinsam mit der Bundesregierung weitere Maßnahmen beschlossen. "Und jetzt am nächsten Tag wieder andere Maßnahmen zu diskutieren, das halte ich für eine sehr schwierige Angelegenheit", immerhin dauere es einige Tage, bis die Verschärfungen anhand der Zahlen ihre Wirkung zeigen, meinte Platter bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hingegen will einen allgemeinen Lockdown am Montag gegenüber "Krone" und "Kleine Zeitung" nicht mehr ausschließen. Die Lage sei ernst, daher müsse ein Schritt nach dem anderen gesetzt werden. Den bundesweiten Lockdown für Ungeimpfte bezeichnete er als "wichtig und richtig."
Insgesamt harsche Kritik am Corona-Management von Türkis-Grün übte Leichtfried am Montag. Die Bundesregierung erscheine wie ein Autofahrer, der nicht wisse, wo Gas und Bremse ist und das Lenkrad nicht bedienen kann. Bei der Pandemiebekämpfung befinde sich die Regierung seit langem auf "Schleuderkurs". Beim derzeitigen Lockdown für Ungeimpfte sei fraglich, ob dieser verfassungsrechtlich halte und ob diese Regelung "effizient kontrolliert" werden bzw. überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten könne. Daher habe man der Verordnung auch im Hauptausschuss Sonntagabend nicht zugestimmt.
Bedenklich findet Leichtfried auch die Uneinigkeit zwischen Schallenberg und Mückstein. Wie solle die Bevölkerung die notwendigen Maßnahmen verstehen, wenn einer dies und der andere das sage, fragte Leichtfried: "Das ist ein Desaster." Leichtfried ortet zwei massive Probleme: Zum einen finde man in Österreich mit der FPÖ eine Partei, die meine, dass Vitamine und Wurmmittel gegen Covid helfen würden. Zum anderen gebe es mit der ÖVP eine andere, die immer wieder die Pandemie für beendet erklärt, obwohl das nicht stimmt.
Auch die NEOS kritisierten das Corona-Management der Regierung scharf. Diese habe "alles vermasselt", meinte Loacker, sah einen diametral unterschiedlichen Auftritt von Gesundheitsminister und Kanzler und kritisierte als Stilfrage, dass Mückstein zwar in Interviews über Pläne Auskunft gebe aber nicht dem Hauptausschuss. Aus seiner Sicht bräuchte es nun einen externen Pandemie-Manager. Namen wollte er keine nennen, brachte aber den vormaligen Flüchtlingskoordinator Christian Konrad als positives Beispiel aus der Vergangenheit.
Als Akutmaßnahme gab Loacker auf Nachfrage an, dass man besonders gefährdete Gruppen wie Ältere und chronisch Kranke anschreiben müsste, um ihnen einen Termin für die Booster-Impfung anzubieten. Denn diese wirke tatsächlich schnell. (APA/Red/hh)