Dreifachmord: Lebenslange Haft für Mutter
Eine 31-jährige Frau ist am Montag am Wiener Landesgericht wegen Mordes an ihren drei unmündigen Kindern zu lebenslanger Haft verurteilt und zusätzlich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Sie hatte ihre Töchter im Alter von drei bzw. neun Jahren und ihren knapp acht Monate alten Sohn im Schlaf mit einem Kopfpolster erstickt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidigerin Astrid Wagner meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Die Angeklagte hatte vor einem Schwurgericht (Vorsitz: Georg Olschak) die ihr angelastete Bluttat zugegeben. "Ich wollte mit den Kindern in den Himmel gehen", sagte die gebürtige Nepalesin. Zu dem Verbrechen war es am 17. Oktober 2020 in Wien-Donaustadt gekommen. Die älteste Tochter dürfte aufgewacht sein, als ihr der Polster ins Gesicht gedrückt wurde, und sich gewehrt haben. Das ergab später die Obduktion der Leiche.
Bei der Strafbemessung wertete das Gericht die bisherige Unbescholtenheit sowie das reumütige Geständnis der Angeklagten als mildernd. Erschwerend waren demgegenüber die Tatumstände. "Es sind drei minderjährige Kinder ums Leben gekommen. Unter Ausnützung ihrer Hilflosigkeit. Sie wurden im Schlaf erstickt", hielt der Vorsitzende in der Urteilsbegründung fest. Und weiter: "In dieser Konstellation gibt es nur eine denkbare Strafe, und das ist die Höchststrafe.
Die 31-Jährige bliebt gefasst, nachdem ihr eine Dolmetscherin das Urteil übersetzt hatte. Nach Einschätzung des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann ist die Frau "hochgradig selbstmordgefährdet", wie er in der Verhandlung dargelegt hatte. Nach ihrer Festnahme habe sie Justizwachebeamte gebeten, ihr dabei behilflich zu sein, ihrem Leben ein Ende zu setzen, gab Hofmann an.
Zur Motivlage hatte die Angeklagte in ihrer Beschuldigteneinvernahme erklärt, sie sei mit ihrem Ehemann und ihrer Ehe nicht zufrieden gewesen: "Ich wollte selber sterben. Ich war nicht glücklich mit meinem Leben." Sie habe ihre Kinder nicht zurücklassen, sondern "mitnehmen" wollen. Nach der Tötung der Kinder hatte die Frau versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden, und anschließend ein Ungeziefermittel getrunken. Die Versuche, sich das Leben zu nehmen, scheiterten. Darauf verständigte die 31-Jährige um 5.24 Uhr den polizeilichen Notruf.
Verteidigerin Astrid Wagner führte ins Treffen, ihre Mandantin sei nicht zurechnungsfähig und damit nicht schuldfähig: "Sie ist schwer geisteskrank. Sie hat gezielt gehandelt, keine Frage, sie hat vorsätzlich gehandelt. Aber in ihrer kranken Welt war ihr nicht bewusst, dass sie Unrecht tut." Die 31-Jährige sei "keine Rabenmutter, sondern eine Vorbildmutter" gewesen, betonte Wagner. Sie habe ihre Kinder "über alles geliebt", ihr hätten aber "schwere Depressionen, irrationale Ängste" zu schaffen gemacht. In "der schrecklichen Nacht" sei der Frau der Gedanke gekommen, "es kann nur die eine Lösung geben, dass sie mit den Kindern ins Paradies will", sagte Wagner.
Die Nepalesin war 2010 mit einem Studentenvisum nach Österreich gekommen, um eine arrangierte Ehe einzugehen. Der Auserkorene habe in Nepal als "gute Partie" gegolten, weil er es nach Europa geschafft hatte, sagte die Staatsanwältin. Aus ihren Plänen, in Wien ein Hochschulstudium fortzusetzen - an der Universität in Kathmandu hatte die Frau Mathematik, Physik und Chemie studiert - wurde nichts. "Sie hat ihn vom Fleck weg geheiratet. Zwei Monate später war sie schwanger", verriet die Anklägerin den Geschworenen. Die Ehefrau blieb im Haushalt und kümmerte sich zunächst um ihre Töchter und dann zusätzlich um den im Februar 2020 zur Welt gekommenen Buben.
Die Ehe war bis da hin harmonisch verlaufen, die Mutter wurde nach der Geburt des Sohnes aber zusehends unzufriedener. Es kam zu Streitigkeiten mit ihrem um 13 Jahre älteren Mann, sie entwickelte Eifersuchtsfantasien. Konkret bildete sie sich ein, dieser wolle sie durch ihre Schwester ersetzen und jene aus Nepal zu sich nach Wien holen. Eindeutige Belege dafür konnte die Angeklagte auf Befragen des vorsitzenden Richters nicht vorbringen. Sie verwies auf Telefonate und ihr eigenes Empfinden.
Nach einer tätlichen Auseinandersetzung am 30. September, bei der sich das Ehepaar gegenseitig Verletzungen zufügte, wurde der Ehemann von der Polizei weggewiesen und mit einem 14-tägigen Betretungsverbot belegt. Am Tag vor der inkriminierten Bluttat kehrte der Mann zurück in die Wohnung. Dort wurde er von seiner Ehefrau umgehend verdächtigt, er habe sich während seiner Absenz eine neue Frau gesucht, werde sie verlassen und die drei Kinder mitnehmen. Es setzte neuerlich ein Streit ein, der Mann verließ die Wohnung, um bei einem Freund zu übernachten.
In dieser Situation entwickelte die 31-Jährige laut Staatsanwältin "eine fürchterliche Angst, ihre Kinder zu verlieren". Sie habe daher in der Nacht "den Entschluss gefasst, gemeinsam mit ihren Kindern in den Himmel zu gehen".
Eigentlich habe sie ja den Ehemann und nicht ihre Kinder töten wollen, brachte die Angeklagte vor: "Aber er ist weggelaufen." Sie habe "die Gedanken im Kopf gehabt, dass die andere Frau die Kinder wegnimmt und diese schlecht behandelt". Sie habe mitten in der Nacht "eine oder zwei Minuten nachgedacht" und sei dann mit dem Polster zu ihren schlafenden Kindern gegangen: "Danach wollte ich mich mit einem Messer schneiden und viel Blut verlieren."
Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann stufte die Angeklagte grundsätzlich als zurechnungsfähig ein, obwohl ihr eine schwere, nicht behandelbare Geisteskrankheit inne wohne, wie er in der Verhandlung bekräftigte. Sie sei allerdings nicht psychotisch. Im Tatzeitraum sei "keine delinquenz- und handlungsbestimmende überdauernde psychotische Störung vorgelegen". Hofmann verwies in seiner Expertise darauf, dass sich die 31-Jährige durchgehend an die Tötungshandlungen erinnern könne und minutiös wisse, was sie gemacht habe. Handlungsbestimmend war laut Hofmann eine "grenzwertige, psychotische Entgleisung mit entsprechender Fehlinterpretation der tatsächlichen Realsituation bei depressiver Grundsymptomatik", in Verbindung mit der familiär angespannten Situation habe das zu einer Überforderung geführt.
Hofmann kam weiters zum Schluss, dass von der Frau eine "große Gefahr" ausgeht, die "Tötungsdelikte in zukünftigen familiären Situationen" bewirken könnte. Sie sei "jung genug, um noch ein Mal Mutter zu werden", gab der Gutachter zu bedenken.
Auf Basis dieser Einschätzungen hatte die Anklagebehörde zusätzlich zur Verurteilung der Angeklagten deren Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt (Paragraf 21 Absatz 2 StGB). Diesem Vorbringen leistete das Gericht Folge. Der anklagekonforme Schuldspruch der Geschworenen erfolgte einstimmig, die von der Verteidigung geltend gemachte Zurechnungsunfähigkeit wurde verneint. (APA)