Gemeinderat: Sondersitzung wegen Personalnot
Der Fachkräftemangel in Spitälern, Kindergärten und bei den Öffis beschäftigte am Freitag außertourlich den Wiener Gemeinderat. Die Grünen hatten eine Sondersitzung zum Thema "Personalnot in der Daseinsvorsorge. Stadtregierung versagt bei Gesundheit, Kindern, Mobiltät" verlangt. Sie mussten sich von ÖVP und FPÖ den Vorwurf anhören, dass es schon in ihrer Regierungszeit Versäumnisse gab. Die rot-pinke Koalition verwies darauf, dass das Problem ein österreichweites sei.
Die Grünen sahen sehr wohl Rot-Pink in der Pflicht: Gesundheitssprecherin Barbara Huemer ortete "ein Versagen der Stadtregierung". Die "steckt den Kopf in den Sand" und ignoriere "das Ächzen des Personals in den Spitälern, das Stöhnen im Bildungsbereich aus Kindergärten" und die Klagen der Fahrgäste über lange Wartezeiten und Überlastung der öffentlichen Verkehrsmittel. Es reiche nicht, dass die Stadtregierung immer nur dem Bund die Schuld gibt, befand Grünen-Chefin Judith Pühringer. In der Politik gelte es, "da zu beginnen wo wir hier und jetzt Einfluss haben", und das sei "heute hier in Wien".
Versäumnisse der Stadtregierung konstatierte auch FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl - aber er sieht die Grünen mitverantwortlich: Die Personalnot sei schon lange absehbar gewesen. Und die Grünen hätten als Regierungspartei zwischen 2010 und 2020 "genug Gelegenheit gehabt, etwas zu ändern". Kritik bekam aber freilich auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ab: Der nehme die Probleme nicht ernst und wiegle nur ab, befand Seidl.
Dass Hacker nicht auf der Regierungsbank saß, merkten einige bedauernd an, zeigten aber auch Verständnis dafür, dass dieser durch einen wichtigen Termin verhindert war - denn Hacker vertrat Wien bei der parallel tagenden Flüchtlingsreferentenkonferenz.
Die ÖVP wollte die Grünen ebenfalls nicht aus der Verantwortung entlassen. Gemeinderat Michael Gorlitzer stellte sie neben SPÖ und NEOS in die Reihe der "Wackeldackel", die das "Desaster im Gesundheitsbereich" nur abnicken und zusehen würden, wie sich die Abwärtsspirale immer weiter nach unten dreht. Dabei wäre es höchst an der Zeit, sich den Problemen in den städtischen Krankenhäusern zu stellen - und die heuer schon 50 Gefährdungsanzeigen ernst zu nehmen. Die Stadtregierung tue viel zu wenig gegen den Personalmangel, meinte der Chirurg Gorlitzer: "Nur ein Pflaster drauf picken bei einem Patienten, der völlig ausgeblutet ist, wird nicht funktionieren."
Die Koalitions-Redner zählten von der Stadt gesetzte Maßnahmen zur Attraktivierung der betreffenden Berufe auf. Und sie stellten einmal mehr fest, dass der Personalmangel kein spezifisches Wien-Problem ist. Österreichweit, sogar in ganz Europa gebe es den Fachkräftemangel, weil die Babyboomer-Generation in Pension geht - und aktuell, wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, Kräfte wie z.B. Lkw- und Bus-Fahrer aus Osteuropa fehlen, merkte SPÖ-Klubchef Josef Taucher an. Die Wiener Linien hätten bereits ein großes Maßnahmenpaket geschnürt, aber das brauche einige Jahre, bis es sichtbar wirkt. Mehr Kräfte auszubilden wäre auch in der Medizin dringend nötig, aber da sei das Wissenschaftsministerium in der Pflicht, betonte die Ärztin Claudia Laschan (SPÖ). Ebenso für eine Ausbildungsoffensive in der Bildung, konkret der Elementarpädagogik. Wien könne da nur kleine Maßnahmen zusätzlich ergreifen, etwa mehr Sprachförderplätze anbieten - und das tue man auch, hielt Marcus Gremel (SPÖ) der Opposition entgegen.
Wien nehme seine Verantwortung wahr, so weit es möglich sei. Aber es wären z.B. in den Schulen auch mehr Planstellen nötig - und da werde die Bundeshauptstadt vom Bund "extrem benachteiligt", merkte NEOS-Klubobfrau Bettina Emmerling an. Erforderlich wäre ein "Schulterschluss" gemeinsam mit dem Bund, sei doch der Personalmangel "eine große Herausforderung in ganz Österreich". (APA)