Lifebrain: Jobs wackeln bei Aus für Gratis-Tests
Das Corona-Großlabor Lifebrain bangt um das Fortbestehen der Gratistests für die Bevölkerung. Mit der Abschaffung ginge ein drastischer Stellenabbau in dem Unternehmen einher, das in seinem ersten Jahr in Wien kräftig gewachsen ist. Bei einem kompletten Aus für die Gratistests "müssten wir von den 1.600 Mitarbeitern 1.200 abbauen", sagte Firmengründer Michael Havel. "Das wär wirklich schrecklich - alle sind gut ausgebildet und motiviert", so der Geschäftsführer.
"Die Frage ist, wie viele Tests bleiben dann noch - wir müssen natürlich unsere Mitarbeiter skalieren nach dem wirklichen Bedarf", erklärte der Lifebrain-Chef. Derzeit ist sein Unternehmen "Alles gurgelt"-Partner der Stadt Wien. "Wir würden die gesamte Struktur redimensionieren müssen", so Havel. Die derzeitige Größe könne dann nicht aufrechterhalten werden. Das Unternehmen würde sich auch räumlich von den derzeit fünf Pavillons auf der Baumgartner Höhe auf ein bis zwei zurückziehen müssen. "Das ist leider Gottes die Realität." Die Aktivitäten wurden dort im Dezember 2020 gestartet - mit 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, rund zwei Drittel davon im Labor und rund einem Drittel in der Logistik, also beim Zuliefern, Aus- und Umpacken der gelieferten Proben.
Auch der Preis für die PCR-Tests würde bei einer massiven Reduktion der Probenzahl empfindlich nach oben gehen. "Es wird sicherlich nicht bei den 6 Euro bleiben, wenn die Mengen nicht mehr das sind." Im Extremfall würden dann "15 bis 20 Euro" verlangt werden müssen, schätzte Havel. Die Apotheken bekommen 25 Euro pro Test.
Fix ist vorerst aber nur, dass die Regierung ihre derzeitige Teststrategie gegenwärtig überarbeitet, wie Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Mittwoch bekanntgaben. Das Corona-Testen habe bisher 2,6 Mrd. Euro an Steuergeldern gekostet, das Impfen 350 Mio. Euro.
Für die breite Bevölkerung sei das Testen auf jeden Fall noch bis 31. März gratis. Es werde "ein neuer Fokus auf das Abwasser-Monitoring gelegt", so Mückstein. Offen blieb vorerst noch, wie es danach mit dem Testen an den Schulen weitergeht. Regelmäßiges Testen soll es jedenfalls auch nach dem Wegfall fast aller Coronamaßnahmen am 5. März für das Personal sowie die Besucherinnen und Besucher von Krankenhäusern und Alten- bzw. Pflegeheimen geben.
Zur Zeit kann Lifebrain auf dem Areal der Klinik Penzing in Wien bis zu 800.000 Coronatests binnen 24 Stunden analysieren. Die Expansion war rasant. Zu Beginn vor etwas über einem Jahr konnten dort 30.000 PCR-Tests pro Tag ausgewertet werden, tatsächlich analysiert wurden anfangs meist höchstens 20.000. Im Sommer 2021 hielt das Unternehmen dann bereits eine Analysekapazität für 500.000 Gurgelate täglich vor. Im Gesamtjahr 2021 erzielte Lifebrain mit der Auswertung von rund 23 Millionen PCR-Gurgeltests einen Umsatz von etwa 300 Mio. Euro an dem Standort in Wien.
Ein kurzlebiges Pandemie-Geschäft, wie die aktuelle Entwicklung verdeutlicht. Die Verträge des Großlabors mit der Stadt Wien können kurzfristig aufgelöst werden. "Die können das innerhalb von sechs Wochen kündigen", sagte Havel. Die Beschäftigten sind über eine Leiharbeitsfirma, die salexius Personalleasing GmbH, angestellt.
Der Lifebrain-Chef hofft auf genügend Weitblick der regierenden Politiker, auch wenn jetzt im Frühjahr eine Lockerung der Coronamaßnahmen möglich ist. "Die wirkliche Frage ist, was passiert mit der Pandemie - wenn jetzt so viele Leute infiziert waren, hat das Virus unglaublich viele Möglichkeiten Varianten zu bilden", sagte der ausgebildete Mediziner. Im Sommer könnte Ruhe herrschen, aber "im Herbst wird das wieder anfangen". Eine weitere Frage sei, "ob die Politik eine Infrastruktur haben will, wenn das im Herbst wieder aufpoppt, mit einer möglicherweise gefährlichen Variante". "Ich persönlich glaube, dass sich das Virus ununterbrochen irgendwelche Schlupflöcher sucht, um bösartig zu werden."
Nach der Pandemie will Lifebrain in stark verkleinerter Form in Wien bleiben, mit einem "Kompetenzzentrum für Genetik" für den gesamten französischen Mutterkonzern Cerba HealthCare. "Wir werden versuchen, Umwelttests anzubieten."
Lifebrain wurde vergangenen Sommer um 1,2 Mrd. Euro an den Diagnostik-Spezialisten Cerba verkauft, die zu den ganz großen Laborketten zählt und dem schwedischen Finanzinvestor EQT gehört. Vor etwas über drei Jahren war Lifebrain um rund 700 Mio. Euro an die italienische Beteiligungsgesellschaft Investindustrial gegangen. Lifebrain betreibt auch 350 Standorte in Italien, wo das Unternehmen als einer der größten medizinisch-diagnostischen Laborbetreiber mit rund 2.500 Mitarbeitern "von klinischer Chemie bis Genetik alles" anbietet, so etwa die Analyse von Lebensmitteln, Abwassern und Wasser. (APA)