Sommernachtskonzert: Für Respekt und Frieden
Einstmals galt das Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker im Schlosspark Schönbrunn als Garant für einen verregneten Abend. Die Zeiten sind lange vorbei, feierte man zuletzt doch bei stets warmem Wetter, und auch am Donnerstag verzogen sich die Schauer rechtzeitig für den Beginn des Events. So rückte das Spitzenorchester unter dem lettischen Dirigenten Andris Nelsons trockenen Fußes das musikalische Erbe und den Zusammenhalt Europas in den Mittelpunkt des Abends.
Man stelle diesen "ganz ins Zeichen des respektvollen Miteinanders und des Friedens", unterstrich zu Beginn Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer. Dabei spiegelte auch die Programmauswahl die Bedeutung der kulturellen Verbundenheit Europas. So hatte man in Zeiten des Krieges den Walzer "Abschied" des Urvaters der ukrainischen Musik, Mykola Lysenko, angesetzt - ein bombastisches Adieu an das Fin de Siècle, das angesichts der aktuellen Weltlage weitere Assoziationsräume eröffnete. Aber auch aus dem Heimatland des Sommernachtskonzertdebütanten Nelsons ließ man Klänge ertönen. So intonierten die Philharmoniker einen Tango des 64-jährigen Letten Arturs Maskats inklusive Bandoneon im Piazzolla-Stil und damit das vielleicht spannendste Stück des Abends.
Aber nicht nur in den Norden und Osten - wenn auch nicht bis Russland -, auch in die anderen Himmelsrichtungen des Kontinents ging die Reise, auf der zum Auftakt eine für ein Open-Air-Event überraschend zierliche, zurückhaltend genommene "Leonoren"-Ouvertüre Beethovens erklang. Auch Rossinis beinahe im Marschgestus vorgetragene Ouvertüre zur "La gazza ladra", George Enescus volksmusikalisch geschulte "Rumänische Rhapsodie" oder nicht zuletzt Camille Saint-Säens' Cellokonzert Nr. 1 mischten sich in den paneuropäischen Reigen. Für letzteres stand dem Orchester der französische Starcellist Gautier Capuçon zur Seite.
Zum Strahlen kam dieses musikalische Fest für Europa traditionell aber nicht nur durch funkelnde Töne, sondern auch dank der glänzenden Lichtshow auf der Schlossfassade, die Schönbrunn heuer immer wieder in eine Art Tarnkleid tauchte. Rund 65.000 Freunde der klassischen Musik hatten sich laut Veranstalterangaben von den vorherigen Regengüssen nicht abschrecken lassen und den freien Eintritt zum Kulturgenuss genutzt. Das waren zwar weniger als im Rekordjahr 2018, als man 104.500 Gäste zählte - aber naturgemäß deutlich mehr als im Vorjahr, als man sich pandemiebedingt mit einer Höchstgrenze von 3.000 begnügen musste. (apa: fichter-wöß/mfg )
Foto-©: Julius Silver