Brandanschlag auf jüdischen Friedhof
In der Nacht auf Allerheiligen ist auf den jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs ein Brandanschlag verübt worden. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, berichtete auf der Plattform X, dass der Vorraum der Zeremonienhalle beim IV. Tor des Friedhofs ausgebrannt ist. "An Außenmauern wurden Hakenkreuze gesprayt. Personen kamen nicht zu Schaden." Die Ermittlungen laufen. Die Polizei geht laut APA-Informationen von Brandstiftung aus.
Die Einsatzkräfte wurden am Mittwoch kurz nach 8.00 Uhr alarmiert, sagte Feuerwehrsprecher Gerald Schimpf auf APA-Anfrage. Betroffen war ein Nebengebäude des Kuppelbaus, der sogenannten Zeremonienhalle. Dort "dürfte es schon in den Nachtstunden gebrannt haben", erläuterte der Sprecher. Die Flammen seien aber weitgehend von selbst erloschen. Die Feuerwehr bekämpfte noch Glutnester und belüftete die verrauchten Räumlichkeiten.
Die offiziellen Informationen der Polizei waren vorerst zurückhaltend: Wie Polizeisprecherin Julia Schick Mittwochvormittag auf APA-Anfrage sagte, war die Brandursache noch unklar, ebenso die Frage, wie sich der oder die Täter in der Nacht Zutritt zum Friedhofsgelände verschafft haben. Die Brandgruppe des Landeskriminalamts (LKA) und Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) seien noch an Ort und Stelle. "Die genauen Umstände sind derzeit noch nicht bekannt und sind Gegenstand laufender Ermittlungen", hieß es am Nachmittag in einer Aussendung der Polizei. "Das Landeskriminalamt Wien ist vor Ort mit der Spurensicherung betraut." Im Zuge der Ermittlungen seien aufgesprühte nationalsozialistische Zeichen an der Außenmauer der Halle festgestellt worden. Der Verfassungsschutz ermittle "intensiv und in alle Richtungen", teilte die Landespolizeidirektion Wien auch auf X (vormals Twitter) mit.
Wie die APA aus gut informierten Kreisen erfahren hat, gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Der Brand dürfte laut derzeitigen Erkenntnissen an zwei Stellen ausgebrochen sein, was ein starkes Indiz dafür sei, dass der Brand gelegt worden ist.
Nach dem Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel war die Terrorwarnstufe in Österreich nach oben gesetzt und der Schutz jüdischer Einrichtungen eigentlich verstärkt worden. Die Bewachung des Stadttempels in der Innenstadt ist erst vor gut zehn Tagen auf 24 Stunden ausgeweitet worden, nachdem sich die Polizei Kritik anhören musste, weil die israelische Fahne von der Synagoge gerissen worden war. Nach dem Brand auf dem jüdischen Teil des Zentralfriedhofs erklärte die Polizei nun am Mittwoch abermals, dass man "in enger Abstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde" den "Fokus auf den Schutz der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden" lege. "Daher steht der Schutz von Menschen im Mittelpunkt."
Der Verfassungsschutz gehe "konsequent gegen all jene vor, die das jüdische Leben und damit das Zusammenleben in Österreich bedrohen", versicherte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer schriftlichen Stellungnahme. In der vergangenen Halloween-Nacht seien Hunderte Polizisten in ganz Österreich zusätzlich im Einsatz gestanden, hieß es in der Aussendung. Die Polizei sei konsequent eingeschritten, wo es notwendig war. So seien am frühen Abend am Wiener Stephansplatz im Rahmen einer nicht angemeldeten Versammlung "zahlreiche Personen, nachdem sie antisemitische Parolen skandiert hatten, angehalten und Anzeigen an die Staatsanwaltschaft erstattet" worden.
Wie die IKG unterdessen mitteilte, wurde das vom Brand betroffene Gebäude vorübergehend behördlich gesperrt. Gräber könnten jedoch besucht werden. Das Zimmer sei "vollkommen ausgebrannt", sagte Deutsch zur APA. "Dort waren auch viele heilige jüdische Bücher. Die sind alle vollkommen verbrannt." Man könne den Vorfall nicht isoliert sehen, verwies er auf den Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem Überfall der Hamas auf Israel. Es werde eine Stimmung geschürt, die offenbar Leute inspiriere, "gegen Juden loszugehen". Dennoch zeigte sich Deutsch abermals zuversichtlich: "Jüdisches Leben wird weitergehen." Zur Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden meinte Deutsch, "uns ist es wichtig, dass Menschen geschützt werden - dass Leute geschützt werden, wenn sie in unseren Institutionen oder auf der Straße sind". Man werde nun nach dem jüngsten Vorfall aber gemeinsam mit Sicherheitsfachleuten besprechen, wie es weitergeht.
Deutsch rief auch dazu auf, am morgigen Donnerstag um 18.00 Uhr zum Lichtermeer beim Wiener Heldenplatz zu kommen. "Setzen Sie ein Zeichen gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit. Für ein Ende der Angriffe auf Israel, das Judentum und die Demokratie, für die Befreiung aller Geiseln."
"Die Schändung von jüdischen Friedhöfen ist eine der feigsten und widerwärtigsten Formen von antisemitischer Gewalt", kritisierte Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. "Bierflaschen und Hakenkreuze haben die Brandstifter hinterlassen. Ich hoffe, wir hören jetzt von niemandem die Worte: 'Lausbuben', 'Einzelfall' oder 'Halloween', um hier irgendetwas zu 'erklären'."
Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, verurteilte den Brandanschlag scharf: "Die Schäden können repariert, die Graffiti beseitigt werden - aber die Gedanken und der Hass hinter dieser Tat müssen uns zu denken geben. Wir täuschen uns, wenn wir immer wieder meinen, solches sei begraben und gestorben, mit den Schuldigen aus vergangenen dunklen Tagen", so der Salzburger Erzbischof am Mittwoch gegenüber Kathpress. Als Kirche sei man "den jüdischen Gläubigen, in Österreich und auf der ganzen Welt, solidarisch verbunden und können nicht schweigen, wenn sie angegriffen werden".
Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, schrieb auf X (vormals Twitter), der Anschlag sei erschreckend, insbesondere so knapp vor dem 3. Jahrestag des Terroranschlages vom 2. 11. 2020. "Mir ist das hohe Maß an Solidarität und Mitgefühl unvergesslich, das damals sichtbar wurde. Ich hoffe und bete, dass uns das auch in diesen Tagen gelingt", so der Wiener Erzbischof.
Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka verurteilte den Brandanschlag ebenfalls. "Wer die Ruhe der Toten stört und Gräber schändet, will über das Leben hinaus Existenz und Erinnerung vernichten", schrieb der Bischof am Mittwoch auf X. "Den Jüdinnen und Juden, die um ihre Liebsten trauern und nun diese Schändung miterleben müssen, gehört unser Mitgefühl und unsere Solidarität", so Chalupka.
Die Politik reagierte auf den Brand schockiert: "Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Österreich ist in den letzten Wochen signifikant gestiegen. Das muss aufhören", forderte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "'Nie wieder' ist ein konkreter Auftrag an uns alle: Jüdinnen und Juden müssen in Österreich in Sicherheit leben können." Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte: "Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Wir stehen entschlossen auf der Seite der jüdischen Community in Österreich."
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte den "Anschlag auf den jüdischen Friedhof in Wien auf das Schärfste". Antisemitismus werde "mit allen politischen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft", versicherte er. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sprach von einem "beschämenden Zeugnis von jenen, die die Werte unserer Gesellschaft mit Füßen treten" und versprach: "Wir werden uns für eine rasche Wiedereröffnung einsetzen".
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) war ebenfalls entsetzt: "Der antisemitische Brandanschlag am Zentralfriedhof ist ein weiterer Akt vollkommen inakzeptabler Aggression auf die Sicherheit jüdischen Lebens in Österreich." Jetzt seien die Ermittlungsbehörden gefordert, die Täter rasch auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen. "Wir werden gemeinsam diese widerwärtigen Drohungen gegen die jüdische Kultur abwehren und jüdisches Leben in Österreich schützen." Die Tat sei "inakzeptabel" und "ein Weckruf, dass wir alle gegen Antisemitismus und Hass aufstehen müssen", meinte Justizministerin Alma Zadic (Grüne).
Die gesamte Opposition zeigte sich ebenfalls solidarisch mit der jüdischen Gemeinde: "Der Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof und die Schändung der Außenmauer durch das Anbringen von Hakenkreuzen ist ein schockierender Akt der Gewalt, der rasch aufgeklärt und rigoros bestraft werden muss", betonte SPÖ-Chef Andreas Babler. "Wir stehen Seite an Seite mit allen Jüdinnen und Juden. Niemals wieder ist jetzt." "Dieser Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof ist nicht nur ein Anschlag auf eine religiöse Einrichtung, sondern auch ein Anschlag und Angriff auf das Andenken an die Verstorbenen und ist zutiefst zu verurteilen", meinte auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. "Wir stehen gemeinsam gegen solche antisemitischen Angriffe und Anschläge", unterstrich auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. "Niemals wieder ist jetzt."
"Erschüttert" war auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). "Es ist unsere historische Verpflichtung, jüdisches Leben und jüdische Institutionen zu schützen." Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zeigte sich wegen des wiedererstarkenden Antisemitismus ebenfalls besorgt. Es sei gemeinsame Aufgabe, "dem wie einen gefährlichen Virus um sich greifenden Judenhass geschlossen zu begegnen und unmissverständlich und mit aller Härte entgegenzutreten". "Fassungslos" ist Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), sie forderte auch Gesetzesverschärfungen.
(APA/Red)