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Schleusen auf: Wasserbau-Großlabor eröffnet Schleusen auf: Wasserbau-Großlabor eröffnet
Wissenschaft

Schleusen auf: Wasserbau-Großlabor eröffnet

Am Brigittenauer Sporn wird nach dreijähriger Bauzeit das neue Wasserbaulabor der Boku eröffnet.
W24 Redaktion
Montag, 12. Juni 2023
Verfasst am 12.06.2023 von W24 Redaktion

Nach rund zehnjähriger Planung und dreijähriger Bauzeit öffnet das neue Wasserbaulabor der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien offiziell seine Schleusen. Am Brigittenauer Sporn, zwischen Donau und Donaukanal, sind in einem großen Neubau nun maßstabs- und naturgetreu Gewässer- und Strömungsexperimente mit weltweit einzigartigen Durchflüssen von 10.000 Liter pro Sekunde ohne Pumpen möglich. Die Eröffnung der großformatigen Einrichtung findet am Montagnachmittag statt.

Forschung zu Hochwasserschutz, Dürreproblematik in Flüssen, Ökologie, Sohleintiefung, nachhaltiger Wasserkraft wie auch Wildbachverbauung, Schifffahrt und Rückbau von Flüssen unter Einfluss des Klimawandels und der Landnutzungsänderung steht im Zentrum des Betriebes. Der Neubau mit einer Gesamtfläche von 12.300 Quadratmetern liegt nahe zum von Otto Wagner errichteten Strombauamt und direkt hinter der Nussdorfer Wehr, dem Einlaufwerk des Donaukanals.

Der "Main Channel", die erste Halle mit 1.940 Quadratmetern Fläche, ist "das Herzstück des neuen Wasserbaulabors", so Helmut Habersack, Leiter des Institutes für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung der Boku und wissenschaftlicher Leiter des neuen Wasserbaulabors, bei einer Vorabbesichtigung gegenüber der APA.

Hier befindet sich der "Big Flume", der Aufbau einer großen Rinne mit fünf Meter Breite - flexibel erweiterbar auf bis zu 25 Meter - "ein weltweites Unikat, was eine Wassermenge von 10.000 Liter pro Sekunde, also zehn Kubikmeter pro Sekunde ohne Einsatz von Pumpen nutzen lässt - das gibt es in keinem Labor weltweit", so der Forscher. Die Rinne ermögliche Versuche im Maßstab bis zu 1:1 und eine Lücke zu schließen, "um letzten Endes unsere Berechnungsmethoden zu verbessern".

Das "River Lab", die zweite Versuchshalle, mit einer Fläche von 1.400 Quadratmetern und kleineren Flussgerinnen, ermöglicht Experimente mit möglichen Durchflüssen von bis zu 1.000 Liter Klarwasser pro Sekunde. "Die Möglichkeit, überhaupt Wasser aus der Donau auszuleiten, besteht darin, dass die Donau in etwa drei Meter höher liegt als der Donaukanal", sagte Habersack. So fließt das aus der Donau abgezapfte Wasser nach Durchfließen des Main Channels direkt in den Donaukanal ab. "Wir erreichen eine Fließgeschwindigkeitsvariabilität und Wirbel, wie sie auch in der Natur vorkommen, und Wassertiefen bis zu drei Metern."

Der "Big Flume" bietet zahlreiche Ansätze für Experimente. So kann etwa die Sohle des Gerinnes mit Steinen und Geröll, also Substrat, wie es in der Donau vorkommt, ausgekleidet und der Kraft des Wassers ausgesetzt werden. Der Sedimenttransport in der Donau ist ein großes Thema. Die transportierte Geschiebemenge und -größe "haben sich verändert. Es kommen jetzt weniger größere Steine aus den Bergen nach Wien, da sie z. B. in Sperren und anderen Querbauwerken liegen bleiben - mit dem Erfolg, dass sich gemeinsam mit den Auswirkungen der Regulierung die Donau in den freien Fließstrecken eintieft." Das habe Folgen für Grundwasserspiegel, die Lebensräume von Fischen, für die Schifffahrt und auch die Wasserkraft. So untersuchen die Forscher im Rahmen eines Projektes, "wie wir das Sediment durchbringen können - letztlich bis zum Schwarzen Meer", um so auch Sandstranderosion an den Küsten vorzubeugen.

Das "Treibgut" im Gerinne kann auch anderer Natur sein: Geplant sind u. a. Experimente zu Schwebstoffen im Wasser, mit Fischen sowie mit Bäumen und Sträuchern in Zusammenhang mit Hochwasserrisiko und der Ökologie. Auch die Abdrift von Menschen interessieren die Forscher betreffend Grenzwerte der Fließgeschwindigkeit und Wassertiefe, um im Hochwasser-Katastrophenfall das Risiko und erfolgreiche Bergungsmaßnahmen besser abschätzen zu können.

Am 90 Meter langen "Big Flume" seitlich angelegte, hohe und mit Panzerglas ausgekleidete Sichtfenster geben abschnittsweise den Blick frei auf das Strömungsgeschehen - von der Sohle bis zur Wasseroberfläche. Eine spezielle Lasertechnologie liefert zeitlich hochaufgelöste Geschwindigkeitsprofile. Im "Large Flume", einem zweiten Gerinne in der Haupthalle, lassen sich auch Flusswasserwellen und die Auswirkungen von Spülungen auf die Ökologie bis hin zur Surfwelle simulieren.

Die Entwicklung neuer Methoden und innovativer Lösungen ist ein zentrales Ziel - auch als Beitrag für die nachhaltige Wasserkraft, so Habersack. Eine der übergeordneten Zielsetzungen sei auch der Hochwasserschutz: "Wir sehen durch den Klimawandel, aber auch durch Landnutzungsveränderungen eine Verschärfung der Situation. Die Flüsse sind hier maßgeblich mitbeteiligt."

Ein integriertes Hochwasserrisikomanagement könnte auch in Dürrezeiten helfen: Durch den Erhalt und die Verbesserung von Überflutungsflächen - und damit die Verhinderung einer weiteren Bodenversiegelung - könnte man Wasser für die Grundwassererneuerung zurückhalten und in Trockenzeiten wieder zur Verfügung stellen. "Hier kann man sehr schön versuchen, Win-Win-Lösungen zu entwickeln - zu Hochwasserschutz, Dürrebekämpfung und Schutz von Biodiversität." Ein entsprechend groß angelegtes EU-Projekt namens "DANUBE4all" begann im Jänner 2023 und verfolgt über die nächsten fünf Jahre das Ziel, "erstmals einen Donaurückbauaktionsplan unter Einbeziehung der Bevölkerung zu entwickeln", so der Projektkoordinator.

Der Standort für das neue Wasserbaulabor der Boku wurde 2010 gefunden, 2018 erfolgte der Spatenstich, Baubeginn war Jänner 2020. Die Fertigstellung erfolgte Ende 2022. Die Gesamtkosten von rund 49 Mio. Euro wurden vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, der Stadt Wien und dem Land Niederösterreich sowie vier Ministerien (Wissenschaft, Klima, Landwirtschaft und Wirtschaft) getragen.

Das Wasserbaulabor beherbergt neben den zwei Versuchshallen auch einen Hörsaal für Lehre und Veranstaltungen sowie Werkstätten, die mit dem ebenfalls eingezogenen und die Versuchshallen bespielenden Institut für Wasserbau und hydrometrische Prüfung des Bundesamtes für Wasserwirtschaft genutzt werden. Ein "Public Lab" steht mit Informationen für die Öffentlichkeit und für Schulprogramme bereit.