"Valie Export ist ein Statement!"
Von der "Aktionshose" bis zum "Tapp und Tastkino", von der "Mappe der Hundigkeit" bis zu den "Körperkonfigurationen": VALIE EXPORTs Werk ist reich an ikonografischen Arbeiten, die sich aktuell in geballter Form in der ihr gewidmeten Retrospektive in der Albertina entladen. Direktor Klaus Albrecht Schröder lädt das Publikum dabei zur "denkenden Betrachtung" des Lebenswerks der 83-jährigen österreichischen Künstlerin ein.
163 Arbeiten hat Kurator Walter Moser zusammengetragen, die in der Ausstellungsarchitektur von Walter Kirpicsenko, der großformatige Kartondisplays in Betonoptik geschaffen hat, in intimen und doch weiten Räumen zur Geltung gebracht werden. Im Rahmen der Presseführung am Donnerstag würdigte Schröder EXPORTs damals "völlig neue Art der Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen, die sich dem weiblichen Körper auf schmerzhafte Weise einschreiben". Mit ihrem "unglaublichen Sinn für ästhetische Gestaltungskraft" habe sie sich damals deutlich von den Wiener Aktionisten unterschieden, die "brutale Direktheit" vieler Arbeiten habe auch noch heute das Potenzial zu verstören, zumal die damals angeprangerten Strukturen mitnichten vollständig verschwunden seien.
VALIE EXPORT selbst gab Einblicke in die damalige Verfasstheit der Gesellschaft, die sie etwa zum Vordringen in den öffentlichen Raum ermunterte. "Die Stadt gehört uns allen, auch mir, indem ich mich in sie einfüge", erläuterte sie etwa in Hinblick auf ihre "Körperkonfigurationen", in denen sie sich selbst in der Wiener Innenstadt in Beziehung zur (Nachkriegs-)Architektur setzte. "Es war der Weg weg von den Galerien und den Museen, hinein in den urbanen Raum", erinnert sie sich an die Flucht vor den damals konservativen Kunsttempeln. Auch die Thematisierung von Schmerz, etwa im Zuge des tätowierten Strumpfbandes in der "Body Sign Action" im Jahr 1970, gehörte damals fest zu ihrer Auseinandersetzung mit der Rolle des weiblichen Körpers in der Gesellschaft. "Die Befreiung von Zwängen ist auch immer ein schmerzhafter Prozess", sagt sie heute.
Fast amüsiert berichtet sie von ihren Erfahrungen mit dem "Tapp und Tastkino" - jener Aktion aus dem Jahr 1968, in der sie sich eine Box als "Kinosaal" um ihren nackten Oberkörper schnallte und "nur zwei Hände die Besucher waren". "Ich habe damals nicht gewusst, was passieren wird", erinnert sie sich. Schließlich sei sie überrascht gewesen, wie vorsichtig die "Besucher" sich ihr genähert hätten, zumal sie selbst nicht gewusst hätten, was sie in der Box erwarten würde, während sie der Künstlerin direkt in die Augen blicken sollten. "Mit dem 'Tapp und Tastkino' wollte ich den üblicherweise durch den abgedunkelten Kinosaal geschützten voyeuristischen Blick auf den Körper der Frau thematisieren", so die Künstlerin.
Neben den bekannten Highlights zeigt die Ausstellung aber auch weniger bekannte Werke der Künstlerin wie etwa die Konzeptfotos der "Leiter"-Reihe, in der EXPORT die Darstellung der Fotografie als nicht der Realität entsprechend enthüllte, indem sie Aufnahmen aus unterschiedlichen Kamerawinkeln montierte. Die Verschiebung der Perspektive behandelte sie auch in weiteren Arbeiten wie etwa "Zug II" oder "Studie über Bewegte Weg Bilder". Aus dem Jahr 1976 stammen die "Nachstellungen", in der sie ein Modell weiblich konnotierte Posen aus klassischen Gemälden nachstellen ließ.
Auch einige raumgreifende Installationen finden sich in der Schau, so etwa in einem verspiegelten Nebenraum, wo auf 25 ins Hochformat gekippten Bildschirmen hochfahrende und niedersausende Nähmaschinennadeln zu sehen sind, die sich bis ins Unendliche spiegeln. In "Die un-endliche/ -ähnliche Melodie der Stränge" (1998) verweist EXPORT auf die "sinnentleerte Massenproduktion der globalisierten Wirtschaft", wie es im Wandtext heißt.
Die jüngste Arbeit versteckt sich schließlich am Ende des Raums hinter einer Spiegelwand. Sie stammt aus dem Jahr 2008. In "I turn over the pictures of my voice in my head" setzt EXPORT mit verstörender Deutlichkeit den körperlichen Vorgang beim Sprechen durch die Aufnahme ihrer Stimmritze in Szene. Im Inhalt bleibt sie sich und ihrem Werk darin treu. Im Begleittext heißt es: "Die mit hörbarer Anstrengung vollzogene Artikulation steht für die Schwierigkeit, sich als Frau innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft öffentlich Gehör zu verschaffen." So schließt sich im Werk der Kreis. (APA/Red)