20 Jahre Haft für Muttermord in Wien-Liesing
Wegen Mordes an seiner Mutter ist ein 22-Jähriger am Montag am Wiener Landesgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt und in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen worden. Er war geständig, seine Mutter getötet zu haben, indem er mit einem Brotmesser auf sie einstach: "Es war blinde Wut." Vorausgegangen sei "ein ganz normaler Familienstreit". Er habe sich bei einem Zustelldienst etwas zu essen bestellen wollen, der Mutter habe das nicht gepasst.
Sie habe ihn beschimpft, "da ist es zur Tat gekommen. Ich hab' das Messer genommen und einfach zugestochen", hatte der bisher Unbescholtene in seiner Beschuldigteneinvernahme geschildert, wobei er allerdings die Tötungsabsicht in Abrede stellte. "Ich wollte sie nicht umbringen. In dem Moment wollte ich sie einfach verletzen", versicherte er.
Dieser Verantwortung folgten die Geschworenen mehrheitlich nicht. Der Schuldspruch erfolgte mit 6:2 Stimmen im Sinn der Anklage. "Es ist wieder ein Femizid. Es ist wieder eine Frau umgebracht worden", hielt die vorsitzende Richterin Nicole Baczak in der Urteilsbegründung fest. Und in Bezug auf das vom Angeklagten ins Treffen geführte Motiv merkte die Richterin noch an: "Ich wüsste keinen banaleren Grund."
Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Der 22-Jährige nahm die Strafe noch im Gerichtssaal an. Darauf hin verzichtete auch der Staatsanwalt auf Rechtsmittel.
Die Anklage hatte dem 22-Jährigen zur Last gelegt, am Abend des 28. Februar 2023 seiner 54 Jahre alten Mutter in deren Wohnung in Wien-Liesing einen elf Zentimeter tiefen Sich in den Nacken versetzt zu haben. Dieser durchtrennte die Schlüsselbeinarterie und eröffnete die Brusthöhle. Zwei weitere Stiche gingen in den Hals und in die Schulter. Für die Frau kam jede Hilfe zu spät, sie verblutete.
Zu dem tödlichen Angriff dürfte es im Badezimmer und für die Mutter überraschend gekommen sein. Sie trug im Tatzeitpunkt ein Nachthemd und war offenbar kurz davor, zu Bett zu gehen. Nach der Tat lief der Sohn der Frau ins Stiegenhaus und klopfte bei mehreren Nachbarn an. "Er ist wild schreiend herumgerannt. Er war komplett fertig mit den Nerven", erinnerte sich ein Nachbar als Zeuge, der schließlich die Wohnung der 54-Jährigen betreten und Wiederbelebungsversuche unternommen hatte, als er die leblose Frau vorfand.
Dem psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen Sigrun Rossmanith zufolge war der 22-Jährige zum Tatzeitpunkt zwar zurechnungsfähig, weist aber eine Persönlichkeitsstruktur mit narzisstischen und emotional-instabilen Zügen auf, die ohne therapeutische Maßnahmen die neuerliche Begehung von Straftaten mit schweren Folgen befürchten lässt. Die Staatsanwaltschaft hatte daher die Unterbringung des jungen Mannes im Maßnahmenvollzug nach §21 Absatz 2 StGB beantragt. Die Geschworenen leisteten diesem Antrag Folge.
Mit 15 hatte der Angeklagte eigenen Angaben zufolge mit dem Rauchen von Marihuana begonnen. Alkohol und andere Substanzen konsumierte er in weiterer Folge ebenfalls regelmäßig. Schließlich brach er das Gymnasium ab, einem Beruf ging er mit Ausnahmen von wenigen Wochen, in denen er sich als Sportartikel-Verkäufer versuchte, nie nach. Gemeldet war er in einem Wohnheim der Caritas, er übernachtete jedoch vier bis fünf Mal wöchentlich bei seiner Mutter, die als Sozialarbeiterin tätig war. "Obwohl sie sich vor ihm gefürchtet hat, hat sie ihn weiter bei sich wohnen lassen und sich um ihren Sohn gekümmert", führte der Staatsanwalt aus.
Angst dürfte der 1,93 Meter große und kräftig gebaute Mann im Mai 2022 auch Passanten in Ottakring gemacht haben, wo er von der Polizei aufgegriffen wurde, weil er mit einer Machete auf der Straße unterwegs war. Er machte auf die Beamten einen psychisch auffälligen Eindruck, die ihn deshalb in ein Krankenhaus brachten, wo der junge Mann vorübergehend stationär aufgenommen wurde. Im Dezember 2022 wurde seine Mutter zu seiner Erwachsenenvertreterin bestellt - für die Behörden war der Mann nicht mehr in der Lage, ohne Hilfe seine finanziellen Belange zu regeln.
Der 22-Jährige galt bei den Behörden als Hochrisikofall. Die Mutter soll von der Polizei mehrmals vor ihrem Sohn gewarnt worden sein, da ein Gewaltverbrechen befürchtet wurde. Dreimal war über ihn hinsichtlich der Adresse der Mutter - der spätere Tatort - ein Betretungs-und Annäherungsverbot verhängt worden. Die verpflichtenden Beratungstermine für Gewalttäter nahm der 22-Jährige nicht wahr. Im Juli 2022 hatte die 54-Jährige ihren Sohn wegen gefährlicher Drohung angezeigt. Sie hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen, nachdem dieser sie mit dem Umbringen - er kündigte an, er werde sie mit einem Messer "aufschlitzen" - bedroht hatte. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren musste eingestellt werden, weil die Mutter von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machte und nicht gegen ihren Sohn aussagen wollte.
Nach dem dritten Stich sei die Mutter umgefallen, schilderte der 22-Jährige den genauen Tatablauf: "Ich bin selber ganz geschockt. Ich wünsche, es wäre nicht passiert. Ich weine die ganze Zeit." Obwohl es immer wieder zu Streitereien gekommen sein, sei er gerne bei seiner Mutter gewesen: "Ich hab' mich dort wohler gefühlt." Diese habe sich schon in seiner Kindheit von seinem Vater scheiden lassen: "Ich wollte sie nicht die ganze Zeit alleine lassen. Ich liebe meine Mutter." "Sie haben sie getötet", fiel ihm darauf die Richterin ins Wort. "Ich bereue es. Mütter sind das Allerheiligste. Das ist bei uns Jugos so", erwiderte der Mann mit serbischen Wurzeln. (apa/red)