viennacontemporary zieht um
Nach mehreren turbulenten Jahren und einem Besitzerwechsel im vergangen Jahr findet die diesjährige viennacontemporary von Donnerstag bis Sonntag zum zweiten Mal im Kursalon Hübner am Wiener Stadtpark statt. 2024 will der Event, der sich als "einzige relevante internationale Kunstmesse" in Österreich positioniert, für zumindest fünf Jahre in die Messe Wien übersiedeln und dort unter besseren örtlichen Rahmenbedingen auch erstmals ausgeglichen bilanzieren.
2020 hatte Corona für ein reduziertes Format gesorgt, 2021 die Konkurrenzveranstaltung SPARK Art Fair zur Aufgabe des angestammten Standorts Marx-Halle geführt und eine Herbergsuche ausgelöst. 2022 führte schließlich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Trennung vom langjährigen russischen Eigentümer Dmitri Aksjonow, ein Vorgang, der dem Vernehmen nach nicht ganz friktionslos verlief.
Dabei ist fraglich, ob der traditionell auch stark auf mittel- und osteuropäische Länder abseits von Russland ausgerichtete Event in der aktuellen Form mit Aksjonow überlebt hätte. Denn obwohl in etwa vorstellbar ist, was der kunstaffine Russe privat über den Krieg denkt, hat er sich mit öffentlichen Erklärungen zurückgehalten, die von ihm als Besitzer einer Kunstmesse in Wien eingefordert worden wären. Gleichzeitig hätten ihm Aussagen zum Krieg in Russland selbst massive Probleme und im schlimmsten Fall sogar ein Strafverfahren eingebracht. Aber auch die eindeutige Positionierung der Messe gegen die russische Aggression, zu der im vergangenen September auch hochrangige ukrainische Amtsträger zum Auftakt der viennacontemporary sprachen, wäre mit einem russischen Eigentümer freilich nicht möglich gewesen.
Formal waren 2022 die Messeaktivitäten aus Aksjonows VC Venture GmbH an eine VC Artfairs GmbH übertragen worden, die im Besitz von heimischen Playern steht, drei Unternehmern und einem Rechtsanwalt. Diese neue Firma trägt die Messe heuer zum zweiten Mal im Kursalon Hübner aus, und auch für 2023 rechnet VC Artfairs-Geschäftsführer Markus Huber mit Verlusten. Im Gespräch mit der APA begründet er dies insbesondere mit beschränkten räumlichen Möglichkeiten des aktuellen Standorts und damit verbundenen Kostenfaktoren - der Kursalon verfügt über eine Ausstellungsfläche von knapp 700 Quadratmeter und kann lediglich 61 Galerien beherbergen.
Freilich, in ihrer achtjährigen Geschichte schrieb die viennacontemporary auch vor der Übersiedlung in den historistischen Bau am Stadtpark stets Verluste - auch staatliche Coronaförderungen von laut Transparenzdatenbank knapp 1,7 Mio. Euro, über die "Der Standard" am Wochenende berichtete, konnten an diesem Umstand nichts ändern: Die zunächst verantwortliche VC Venture akkumulierte laut der letzten verfügbaren Jahresbilanz bis Ende 2021 Bilanzverluste von knapp 4,7 Mio. Euro. Für die nunmehr verantwortliche VC Artfairs liegt noch keine Jahresbilanz für 2022 im Firmenbuch vor.
Geschäftsführer Huber rechnet jedoch damit, dass die Kunstmesse nach der geplanten Übersiedlung in die Halle D der Messe Wien ausgeglichen bilanzieren werde können. Der neue Standort, den man zumindest fünf Jahre bespielen wolle, verfüge über fünf Mal mehr Ausstellungsfläche als der Kursalon und biete Platz für 110 Galerien.
"Wir wissen, dass das kein Modell ist, Reichtum anzuhäufen: Die schwarze Null ist das Ziel, und ich bin überzeugt, dass die erreichbar ist", sagte er. Gerade nach der Absage der SPARK Art Fair 2023 will er seine Veranstaltung als "einzige relevante internationale Kunstmesse" in Österreich positionieren und sprach von Problemen, die zwei ähnlich ausgerichtete Kunstmessen in einer Stadt verursacht hätten. "Der Standort hat fast seine Ernsthaftigkeit verspielt, weil es international nicht verstanden wurde, warum man sich hier konkurrenziert und wechselseitig untergräbt", erläuterte er. Doch das sollte nun vorüber sein, auch seien der österreichische Galerienverband und die viennacontemporary der Meinung, dass Klarheit wichtig sei und der Markt auch Eindeutigkeit brauche.
Wichtig sind und bleiben für den Event aber auch Programmpunkte und Kooperationen, die man eher bei einem Kunstfestival und weniger auf einer kommerziellen Kunstmesse erwarten würde. Das betrifft nicht nur Ausstellungsschienen wie ZONE1, die sich 2023 im Kursalon mit dem künstlerischen Nachwuchs in Österreich beschäftigt, sondern vor allem auch Diskussionsveranstaltungen. In Kooperation mit dem MAK wird am Samstag in diesem Museum unter anderem der österreichische Designer Stefan Sagmeister mit dem Markendesignchef von Meta, Zach Stubenvoll, über Design und Engagement im globalen Digitalzeitalter reden. Mit dem Internetkonzern Meta gibt es 2023 eine erste Kooperation im Bereich digitaler Kunst. "Wir wollen diesem Thema eine andere Dimension als andere Messen geben", erklärte Huber.
Bereits am Mittwoch gab es zudem in Kooperation mit der Erste Stiftung Diskussionen der Programmschiene "Statement", die von der ehemaligen Kiewer Kulturamtsleiterin Jana Barinowa betreut wird. Nachdem 2022 die europäische Integration der Ukraine erörtert wurde, drehte sich die Diskussion am Mittwoch unter anderem um EU-Erweiterungen sowie um jene 30 Prozent der Wiener Bevölkerung, die in Ermangelung der richtigen Staatsbürgerschaft von Wahlen ausgeschlossen ist. "Es ist eine zentrale Frage, die sich Menschen in Österreich stellen sollten: Ist es noch sinnvoll, (bei Einbürgerungen, Anm.) auf nur einer Staatsbürgerschaft zu bestehen?", kritisierte der Direktor der NGO "European Alternatives", Niccolò Milanese, österreichische Gesetze gegen Doppelstaatsbürgerschaften. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) lobte Migration als eine Art von Selbstbestimmung, Selbstbemächtigung und Selbstrealisierung. Sie selbst empfinde sich sowohl als Bosnierin als auch Österreicherin aus Wien-Favoriten, seit einem Aufenthalt in den USA sehe sie sich zudem als Europäerin, erklärte die Politikerin mit Verweis auf ihre eigene Biografie. (APA)
Bild: Kursalon Betriebs GmbH / SHI Beteiligungs GmbH