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"Wien war immer schon ein Mix" "Wien war immer schon ein Mix"
Kultur

"Wien war immer schon ein Mix"

Das Wien Museum Wien Museum zeigt in einer aktuellen Schau die Diversität der Stadt in 48 Geschichten - bis 20. April 2025.
Vanessa Kogler
Mittwoch, 04. Dezember 2024
Verfasst am 04.12.2024 von Vanessa Kogler

Wien ist nicht anders, sondern so wie alle Weltstädte: bunt, vielfältig, divers eben. Das zu zeigen ist das Anliegen der Ausstellung "Mixed", die ab Donnerstag im Wien Museum 48 kleine Geschichten erzählt, die diese Vielfalt und Diversität belegen. "Wir hätten auch 48.000 Geschichten erzählen können", versicherte Kuratorin Vanessa Spanbauer bei der Presseführung am Mittwoch. Doch auch so gelingt es, viele Themen anzureißen und Denkanstöße zur Identitätsdebatte zu geben.

Es sei ein "Versuch, die Diversität der Stadt nicht auf konventionelle Weise zu historisieren, sondern erlebbar zu machen", sagte Museumsdirektor Matti Bunzl. Es sei zwar richtig, dass man sozialhistorisch Wellenbewegungen im "Schmelztiegel Wien" (wie Albert Lichtblau und Michael John ihr grundlegendes Buch 1990 nannten) feststellen könne, etwa in der expandierenden Hauptstadt des Vielvölkerreiches Ende des 19. Jahrhunderts oder in der Ausdünnung nach Ende des Zweiten Weltkriegs, "aber das ist nicht die Geschichte, die wir hier erzählen wollen", so Bunzl im Gespräch mit der APA. Es gehe vielmehr darum, zu zeigen, dass Diversität Teil der DNA einer Weltstadt sei. "Es geht darum, diese konstitutive Pluralität sichtbar zu machen."

Geschichten bunt im Raum verteilt

"Diversität ist gelebter Alltag und gehört zur Grundkonstitution einer Stadt", betonte auch Kurator Niko Wahl. Die dafür ausgewählten Geschichten hat man grob versucht, vier Themen zuzuordnen - Wörter, Körper, Orte und Moden -, die jeweils mit einer anderen Farbe gekennzeichnet sind. Die Vitrinen und Stelen mit den 48 Geschichten sind buchstäblich bunt im Raum verteilt, sodass sich auch räumlich die Assoziation mit einem Memory-Spiel einstellt, von der das Kuratorenteam als prägend bei den Recherchen berichtete: Es hat eben niemand nur eine einzige Identität, sondern gleichzeitig viele verschiedene Zugehörigkeiten. "Wir haben versucht, Prozesse abzubilden", schilderte Jakob Lehne.

In jeder Hinsicht divers sind die anhand einzelner Objekte erzählten Geschichten. Architekturmodelle der großen Wiener Stadtmoschee oder der Rosa Lila Villa erzählen von der muslimischen und der queeren Community, eine Statue von Fabrikant Johann Zacherl in kaukasischer Kleidung, der skurrile Auftritt von Helmut Qualtinger als Eskimo-Dichter Kobuk (1951) oder eine aufblasbare Schwimminsel des auf karibische Exotik setzenden Rum-Kokos-Pralinen-Herstellers Casali zeigen unterschiedliche Formen von Aneignung. Man erfährt, dass es das erste afrikanische Lokal (mit "Afrikaner-Stübchen") schon 1904 in Wien gab (allerdings nur für ein Jahr) und das erste China-Restaurant 1920 aufsperrte.

Vom Alt-Wiener-Wörterbuch bis zum Dirndl aus 2024

Ein Alt-Wiener-Wörterbuch aus dem Jahr 1951 und ein bei "Prochaska" aufgeschlagenes Wiener Telefonbuch von 1993/94 stehen für die vielfältigen nach Osteuropa reichenden Einflüsse. Alltagsrassismus wird u.a. mit einer Titelseite der "Kronen Zeitung" zum Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma illustriert. Lebendige religiöse Vielfalt wird etwa mit der Anleitung zum Bau einer Sukka für das jüdische Laubhüttenfest gezeigt, deren Dach heuer in einem Wiener Supermarkt gekauft wurde. Ebenfalls aus 2024 stammt ein ausgestelltes Wiener Dirndl. Ab 1935 gab es im Wiener Volkskundemuseum eine eigene "Trachtenberatungsstelle", bei der die Authentizität von Trachtenkleidung beurteilt wurde. Weltoffenheit und Identitätssuche stehen oft nebeneinander. Konflikte sind unvermeidbar. Im Idealfall lassen sie sich produktiv nützen. (apa)