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Österreichs erste Kanzlerin Brigitte Bierlein ist tot Österreichs erste Kanzlerin Brigitte Bierlein ist tot
Politik

Österreichs erste Kanzlerin Brigitte Bierlein ist tot

Ehemalige VfGH-Präsidentin wurde 74 Jahre.
W24 Redaktion
Montag, 03. Juni 2024
Verfasst am 03.06.2024 von W24 Redaktion

Mit dem Tod von Brigitte Bierlein kurz vor ihrem 75. Geburtstag verliert Österreich seine erste Bundeskanzlerin. Die damalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs wechselte 2019 als Chefin einer Experten-Regierung ins Kanzleramt, als infolge des Ibiza-Skandals im Land politisch nichts mehr ging. Dies war der letzte Schritt einer doch sehr erfolgreichen Karriere, die sich zum allergrößten Teil in der Justiz abspielte.

Bierlein gilt hierzulande als "Pionierin". Nicht nur war sie erste Regierungschefin, auch am VfGH war die Wienerin die erste Frau, die es ganz an die Spitze schaffte. Sie selbst attestierte sich dereinst einen "gewissen Ehrgeiz".

Bierlein, Tochter eines Beamten und einer Künstlerin, verschrieb ihre Karriere der Justiz. Dabei hatte sie dereinst sogar überlegt, sich an der Kunstakademie einzuschreiben, ehe dann gemäß Rat der Mutter doch das Interesse am Recht Vorrang gewann. Die Kunst blieb Begleiterin der stets modische Akzente setzenden Juristin. Sie galt als Lieberhaberin des Theaters und der Malerei, gehörte auch dem Aufsichtsrat der Bundestheater-Holding an.

In nur vier Jahren hatte Bierlein das Jus-Studium absolviert, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 Jahren wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen Leiterin.

In der Justiz war Bierlein schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihrer fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen. 1977 von den Richtern zu den Staatsanwälten gewechselt, engagierte sie sich in der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte - und wurde dort 2001 zur Präsidentin gewählt. Auf diese Funktion musste sie mit dem Eintritt in den VfGH verzichten. Vor dem Wechsel in das Höchstgericht war sie nicht weniger als zwölf Jahre Generalanwältin in der Generalprokuratur, davor in Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft Wien tätig.

Politisch wurde Bierlein, der als Staatsanwältin eine gewissen Tendenz zu Law&Order zugeschrieben wurde, eher dem konservativen Sektor zugeordnet. Parteimitglied war sie jedoch nie. Als Bundespräsident Alexander Van der Bellen sie zur Bundeskanzlerin ernannte, kam dann auch Beifall von allen Seiten. Das gute halbe Jahr, das sie die Regierungsgeschäfte schnörkellos führte, war dann auch von Skandalen verschont.

Für Familie blieb der Wienerin keine Zeit, sie hätte es sich nicht vorstellen können, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen, sagte Bierlein in Interviews. Ihr langjähriger Lebensgefährte, der Richter Ernest Maurer, verstarb 2021.

In ihrer Freizeit besuchte Bierlein gerne Vernissagen und Ausstellungen, sowie - wenn es die Zeit zuließ - Oper und Theater. Auch sammelte sie Kunst, hatte etwa einen (Josef) Mikl zuhause hängen. Nur am Rande mit Kultur zu tun hatte, dass sie zur Leiterin der Sonderkommission zum Skandal in der Wiener Ballett-Akademie bestellt wurde. Bierlein war auch in der Unabhängigen Opferschutzkommission gegen Missbrauch und Gewalt aktiv. (apa/red)

Bild: Achim Bienik