AK Wien rüstet gegen Sozialbetrug auf
Die Arbeiterkammer Wien (AK Wien) hat bei ihren Beratungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer festgestellt, dass sich Sozialbetrug in bestimmten Branchen häuft. Im Baugewerbe, in der Leiharbeit, der Gastronomie, der Reinigung und im Transportgewerbe verzeichneten die AK-Experten die meisten Verstöße, teilte diese am Dienstag vor Journalisten mit. Daher will die AK Wien mit einer Stabsstelle Betrugsbekämpfung systematisch gegen Sozialbetrug durch Unternehmen vorgehen.
"Sozialbetrug geht nicht nur von ausländischen Unternehmen aus", sagte die AK-Arbeitsrechtsexpertin Andrea Ebner-Pfeifer. "Auch in Österreich greifen einzelne Arbeitgeber:innen zu fragwürdigen Methoden, um sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen." Daher kooperiere die vor acht Monaten gegründete Stabsstelle mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), den Bezirksverwaltungsbehörden der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) sowie der Finanzpolizei.
Das Fazit: Bis Ende Juli wurden von der Stabsstelle 95 Fälle bearbeitet, von denen bereits 57 abgeschlossen sind. Laut AK wurden 11 Anzeigen nach dem Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz erstattet. Weitere acht Anzeigen betrafen Verstöße gegen die Gewerbeordnung und in einem Fall wurde bei der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige eingebracht. Haftungsansprüche gegen Auftraggeber wurden in sechs Fällen erhoben. Wobei die AK zuerst das Gespräch mit den Unternehmen suche und eine außergerichtliche Lösung anstrebe.
"In den letzten Jahren haben wir feststellen müssen, dass die Probleme, mit denen sich die Arbeitnehmer:innen an uns wenden, komplexer und vielschichtiger werden", sagte Ludwig Dvořák, Bereichsleiter Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz der AK Wien. "Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass manche Unternehmen immer kreativere Wege finden, um Sozialbetrug zu ihrem Geschäftsmodell zu machen."
Dabei bedienen sich Unternehmen laut AK Wien häufig der gleichen Tricks: Lohndumping, Abwälzung der Gehälter auf die Allgemeinheit, falsche Anmeldung bzw. rückwirkende Abmeldung bei der Sozialversicherung oder Ummeldung auf ein Subunternehmen zählten zu den gängigsten Methoden. Komplexe Unternehmensstrukturen bzw. lange Subunternehmerketten erschwerten zudem oft die Rechtsdurchsetzung.
Als Fallbeispiel führte die AK Wien unter anderem die Ausbeutung von Erntehelfern in Wien an. Diese sollen unter widrigen Arbeitsbedingungen und ohne Urlaubsersatzleistung durchschnittlich 70 Wochenstunden gearbeitet haben, aber nur für 20 Stunden bei der ÖGK angemeldet worden sein. Laut AK fordert sie jetzt beim Arbeitgeber die offenen Löhne ein. Sollte dieser der Forderung nicht nachkommen, werden die Ansprüche gerichtlich eingeklagt und eine Anzeige wegen Lohndumpings eingebracht, so die AK-Experten..
Bei der B&R Generalunternehmer GmbH waren ursprünglich über 100 Bauarbeiter beschäftigt, die ohne ihr Wissen auf mindestens acht verschiedene Firmen umgemeldet wurden - und zwar jeweils knapp über der Geringfügigkeitsgrenze sowie als Angestellte. Damit verloren die Bauarbeiter Ansprüche bei der Pensions- und Arbeitslosenversicherung. Und die Unternehmen ersparten sich Zuschläge bei der BUAK. Mittlerweile sind die meisten dieser Firmen insolvent. Nicht nur die AK will das komplexe Firmengeflecht entwirren, auch ÖGK und Finanzpolizei ermitteln.
In einem anderen Fall waren elf Leiharbeiter bei einem Subunternehmen eingesetzt, haben jedoch keine Löhne erhalten. Die Stabsstelle setzte sich mit dem Erstauftraggeber in Verbindung, der Druck auf den Subunternehmer ausübte. Die Arbeiter erhielten daraufhin 47.000 Euro.
Die Experten der AK fordern daher erneut, dass Erstauftraggeber nicht nur in der Baubranche sondern generell für Subunternehmen sowie für deren Sozialversicherungsbeiträge haften.
Eine andere Forderung der Kämmerer: Die Wiedereinführung des Kumulationsprinzips. Dieses sah vor, dass Unternehmen bei Begehung mehrer Straftaten für jede Gesetzesübertretung Strafe gezahlt werden müsse.
Mehr Kontrollen sollten zudem Lohn- und Sozialdumping eindämmen. Aber auch "Wander-Geschäftsführer", die dubiose Firmenkonstrukte betreiben, müssten verhindert werden.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten weiters besser vor Scheinselbstständigkeit geschützt werden, so eine weitere Forderung der AK. Wenn Löhne und Gehälter nicht rechtzeitig überwiesen werden, sollte nach Ansicht der AK künftig der doppelte Betrag fällig werden. Darüber hinaus sollten Ansprüche während des Arbeitsverhältnisses nicht verjähren. Schließlich hätten Beschäftigte Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie sich beschwerten. So hätten sie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit, ihre Ansprüche durchzusetzen. Weiters müssten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund besser über ihre Rechte aufgeklärt werden. (APA)