Kunstsammlerin Elisabeth Leopold gestorben
Die Kunstsammlerin Elisabeth Leopold ist tot. Die Grande Dame des heimischen Kunstbetriebs starb am Dienstagabend zu Hause im Kreis ihrer Kinder mit 98 Jahren, teilten die Familie und das Leopold Museum am Mittwoch der APA mit. An der Seite ihres 2010 verstorbenen Ehemanns Rudolf hatte sie eine der bedeutendsten Sammlungen der Wiener Moderne aufgebaut, die seit 2001 im Leopold Museum bestaunt werden kann.
Geboren am 3. März 1926 in Wien, lernte die spätere Augenärztin noch während ihres Medizinstudiums ihren künftigen Mann Rudolf kennen, den sie 1953 heiratete. Sie begleitete ihn auf seinen Kunstreisen und unterstützte ihn in seiner Sammeltätigkeit. Die ab den 1950er-Jahren mehr als 5.000 zusammengetragenen Kunstwerke, die neben dem weltgrößten Bestand an Schiele-Werken etwa auch Bilder von Klimt, Kokoschka oder Egger-Lienz umfassen, wurden 1994 in eine Stiftung eingebracht - gegen die Zusicherung, dass die Republik der Sammlung ein Museum bauen. Teile davon sind seit 2001 dank des Leopold Museums im Wiener Museumsquartier der Öffentlichkeit zugänglich.
Dabei mussten sich die Leopolds am Anfang ihrer Sammlerleidenschaft wegen ihrer Vorlieben so manches anhören. "Ein Professor hat einmal gesagt: 'Sie sammeln den Schiele? Da haben S' aber schon einen Pecker'", erinnerte sich die Kunstliebhaberin vor einigen Jahren. Schiele habe damals eben nichts gegolten.
Um Werke dieses nunmehrigen Malergiganten drehten sich - Stichwort "Bildnis Wally" oder "Häuser am Meer" - auch einige Restitutionscausen, die das Sammlerehepaar über Jahre hinweg beschäftigten. Um den Vergleichszahlungen nachkommen zu können, musste das Museum andere Werke Schieles verkaufen.
Seit dem Tod ihres Mannes war Elisabeth Leopold, die 2017 sowohl mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse als auch dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien bedacht wurde, auf Lebenszeit Vorstandsmitglied der Leopold Museum-Privatstiftung. Aus Altersgründen legte sie diese Position allerdings vor zwei Jahren zurück.
Im Ausstellungshaus selbst fungierte sie immer wieder als Co-Kuratorin - etwa für die Ausstellung "Nackte Männer" (2012), die für Furore und Aufregung inklusive überklebter Penisse am Plakatsujet sorgte. Leopold selbst demonstrierte damals ein gehöriges Maß an Abgeklärtheit. "Als Ärztin und alte Ehefrau kann ich an einem männlichen Geschlecht nichts Absonderliches finden", sagte sie der APA. Auch begeisterte sie das Publikum bei zahlreichen Führungen "durch ihren Enthusiasmus und ihr Wissen um Kunst und Künstler, ein Wissen, das stets von der sinnlichen Erkenntnis von Qualität getragen war", wie die Familie betonte.
Auch im hohen Alter war Leopold alles andere als im Ruhestand. Ende 2020 freute sie sich über den Abschluss eines jahrzehntelangen Mammutprojekts: Das 1972 von Rudolf Leopold herausgegebene und bald vergriffene Standardwerk "Egon Schiele. Gemälde - Aquarelle - Zeichnungen" konnte als aktualisierte und erweiterte Neuauflage neu aufgelegt werden. Mit dem Freundeskreis des Leopold Museums unternahm sie bis ins hohe Alter viele Kulturreisen.
"Elisabeth Leopold ging es weniger um Namen und kunsthistorische Konstrukte, sondern vielmehr um den direkten Zugang, um das offene Angesprochenwerden vom jeweiligen Kunstwerk", schrieb die Familie im Nachruf. Zugleich sei sie zeitlebens der Mittelpunkt der Familie gewesen, sie habe über alle Schwierigkeiten eines Sammlerhauses den Zusammenhalt der prägnanten Persönlichkeiten in der Familie garantiert. "Vor allem aber hatte sie immer ihren Mann und sein Museumsprojekt mitgetragen und wurde auch im Alter niemals müde, seine Leistung und seine Kunsterkenntnis hervorzuheben, von der sie selbst, wie sie sagte, so vieles lernte und weitertrug."
Der Vorstand der Leopold Museum-Privatstiftung, dem Josef Ostermayer (Vorsitzender), Sonja Hammerschmied, Danielle Spera und Enkelin Saskia Leopold angehören, und das Direktorium des Leopold Museum, Hans-Peter Wipplinger und Moritz Stipsicz, betrauerten in einem Nachruf das Ableben der "Seele des Hauses". Sie versicherten, dass "der bereits nach dem Tod des Museumsgründers Prof. Dr. Rudolf Leopold (1925-2010) eingeschlagene Weg im Sinne des Stifters und der Stiftungsurkunde und in Gedenken an das Sammlerpaar konsequent weitergeführt wird".
Elisabeth Leopold habe sich gemeinsam mit ihrem Mann "mit Nachdruck und großer Überzeugungskraft für die Anerkennung der Österreichischen Moderne rund um Gustav Klimt und Egon Schiele eingesetzt, so der museologische Direktor des Museums, Hans-Peter Wipplinger. Für Josef Ostermayer verliert unser Land mit Elisabeth Leopold "eine der engagiertesten Kämpferinnen für die österreichische Kunst". Sie sei weit mehr als die Frau des Stifters gewesen, die Entstehung der Sammlung sei nur durch die kongeniale Symbiose von Rudolf und Elisabeth Leopold möglich gewesen. Im Nachruf wird darauf verwiesen, dass Elisabeth Leopold für den Aufbau der gemeinsamen Kunstsammlung "auf so manche Annehmlichkeit verzichten musste", der Großteil des Einkommens sei in Kunstankäufe oder in die Finanzierung von Bankkrediten für die Erweiterung oder die Erhaltung der Sammlung geflossen.
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) würdigte Elisabeth Leopold als "eine zentrale Figur des österreichischen Kunstbetriebs". Mit ihrem Vermächtnis präge sie nachhaltig die österreichische Museumslandschaft. Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) strich die mitreißende Euphorie hervor, mit der Leopold über Kunst sprach, ihre große Kennerschaft in der österreichischen Kunst der Jahrhundertwende sei "ebenso leidenschaftlich wie beeindruckend" gewesen. Österreich verliere "eine bedeutende Kunstsammlerin und Förderin von Kunst und künstlerischen Talenten", betonte ÖVP-Kultursprecher Laurenz Pöttinger. (APA)