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Kultur

Auf den Spuren jüdischer Filmschaffender

Ab 1934 sind Filme mit jüdischer Beteiligung in Nazi-Deutschland komplett verboten. In Wien entstehen daraufhin unabhängige Produktionsfirmen und sehenswerte Filme.
Vanessa Kogler
Freitag, 18. Oktober 2019
Verfasst am 18.10.2019 von Vanessa Kogler

Es ist eine so traurige wie kurze Epoche des deutschen Films, der sich das Filmarchiv in seiner neuen Ausstellung widmet. Unter dem Titel "Unerwünschtes Kino" würdigt man einen Korpus von 24 Filmen, die zwischen 1933 und 1938 als unabhängige Produktionen von Exilanten gedreht wurden - in der kurzen Phase zwischen der Machtergreifung der Nazis in Deutschland und der Annexion der ersten Exilländer.

Im Kern der Schau stehen jene rund 200 meist jüdische Filmschaffende, die nach der NS-Machtübernahme in Deutschland dank der internationalen Vernetzung ins benachbarte Ausland emigrierten, so Kurator Armin Loacker bei der Präsentation am Donnerstag. Als zentrale Anlaufpunkte kristallisierten sich dabei aus sprachlicher Verbundenheit Wien und Budapest heraus, wo neben wenigen Werken in Prag und einem Film in Stockholm auch das Gros dieser Exilantenfilme entstand.

Filme mit jüdischer Beteiligung verboten

Der Hintergrund für die Entstehung der unabhängig produzierten Streifen verschiedenster Genres war der Umstand, dass die Nationalsozialisten bereits Mitte 1933 erste Maßnahmen ergriffen, um den Import der von Emigranten hergestellten Filmen nach Deutschland zu verhindern. Die österreichischen Produzenten verzichten deshalb alsbald auf das Engagement jüdischer Filmschaffende, um den großen deutschen Markt nicht zu verlieren. Indirekt fand somit der Arier-Paragraf auch schon vor dem "Anschluss" Anwendung. In Folge gründeten sich kleinere Produktionsfirmen, denen zwar meist nur ein kurzes Filmleben beschieden war, die aber einzelnen Werken zum Leben verhalfen.

Insgesamt beleuchtet die Ausstellung knapp 30 Persönlichkeiten des Exilfilms. Allerdings steht hierbei vornehmlich das Oeuvre der Filmschaffenden im Fokus, weniger die Biografie, unterstrich Kuratorin Anna Högner: "Wir sehen die Filme als die Knotenpunkte, an denen sich die Wege der einzelnen Personen kreuzen." So flimmern in der aufwendigen Ausstellungsgestaltung Ausschnitte aus elf Werken auf schrägen Leinwandbahnen. Mit bunten Streifen am Boden verbindet man die Filmschaffenden mit ihren Produktionen und ermöglicht so, einen eigenen Weg durch die Schau zu kreieren.

Was passierte mit den jüdischen Filmschaffenden?

So bietet sich die Möglichkeit, Schicksalen wie jenem des erfolgreichen Kabarettisten Paul Morgan nachzuspüren, der letztlich in Buchenwald starb oder dem Regisseur Kurt Gerron, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde, nachdem er zuvor noch für die Nazis die Propagandadokumentation "Theresienstadt" drehen musste. Zugleich steht ihr Schicksal nur für den kleineren Teil der Filmexilanten. Um die 170 schafften es, sich durch die neuerliche Emigration zu retten, wobei über die Hälfte in die USA auswanderte. Rund 30 Vertreter des "unerwünschten Kinos" überlebten die Naziherrschaft hingegen nicht. Diesen Lebenswegen nach der Annexion der ersten Exilländer durch Nazideutschland geht man dann im zweiten Teil der Schau nach.

Die Ausstellung verknüpfe nahezu idealtypisch das Sammeln und die Präsentation als zwei Hauptcharakteristika des Filmarchivs, unterstrich Direktor Ernst Kieninger. Nicht zuletzt die detektivische Arbeit der Kuratoren sei hier hervorzuheben. "In den 90er-Jahren galten die Filme praktisch allesamt als verschollen." Nun sind tatsächlich alle 24 Werke des Gesamtkorpus der Nachwelt erhalten und im Filmarchiv zu finden.

Katalog und Retrospektive

Bei der reinen Ausstellung belässt man es dabei nicht. Bereits am Freitag startet der erste Teil der Filmreihe mit Werken der betreffenden Künstler vor der Vertreibung. Teil 2 ist dann am 4. Dezember zu sehen und zeigt die zwischen 1932 und 1937 entstandenen Emigrantenfilme. Zusätzlich wird dann der begleitende Katalog "Unerwünschtes Kino. Deutschsprachige Emigrantenfilme 1934-1937" von Amrin Loacker erscheinen. (apa/vk)