"Früher gab's 14 Schildermaler im 4. Bezirk"
Der Boden ist bunt gesprenkelt mit Farbspritzern, die Wände voll mit alten, selbst bemalten Schildern und Fotografien. Wenn Wiens letzter Schildermaler-Meister in seiner Werkstätte in der Mühlgasse (4.) von seiner Handwerkskunst erzählt, hat er dabei ein Lächeln auf den Lippen und den Malstock in der Hand.
Vier Generationen Schildermalerei
Vier Generationen lang gibt es die Schildermalerei Samuel im Freihausviertel im 4. Bezirk. Begonnen hat alles mit seinem Urgroßvater. Die Werkstätte in der Mühlgasse besteht seit 1915. Zur Zeit des Wiener Jugendstils war die Hochblüte der Schildermaler, erzählt Josef Samuel im W24-Gespräch. „Da haben wir 257 Schildermaler in Wien gehabt, allein 14 im 4. Bezirk". Jeder Maler hätte seine eigene Schrift gehabt. In den 40er Jahren sind fast 10 Schildermaler in der Werkstätte beschäftigt. Noch bis in die 80er Jahre setzen Geschäfte auf handgemalte Firmentafeln, Werbeschilder oder Schriftzügen auf Fassaden. Ab den 90er Jahren ersetzen nach und nach Neon-Reklamen und Drucke die sorgfältig gemalten Kunstwerke.
Schilder von 1882 bis heute
Seit 2003 ist der Schildermaler in Pension, zum Pinsel greift er nur mehr in Ausnahmefällen. Die Werkstätte wurde zum Museum. Ausgestellt sind Schilder von 1882 bis heute. Viele kunstvoll gefertigt aus Glasstanzbuchstaben, Eisenblech oder mit Blattgold oder Gleichzeitig dienen die Räume dem Hobby-Fotografen als Atelier. VAlle zwei Monate werden die Fotos ausgetauscht. Früher hat Samuel auch Fotografien in der Presse veröffentlicht. „In der nächsten Ausstellung, ab 29. April, geht es um London.“
Wenig Interesse in Wien
Rund einmal pro Woche macht der bald 76-Jährige Führungen. Vor allem für Interessierte aus dem Ausland. „Die Wiener interessieren sich leider weniger dafür.“ Ob sein Handwerk angesichts boomender Handlettering-Kurse Zukunft hat? „Es wird vielleicht irgendwann so weit sein. Aber dann wird es niemanden mehr geben, der es einem beibringt. In jedem Beruf ist irgendwer der letzte Master.“ (vk)