ÖVP will Kickl loswerden
Die FPÖ hat sich zwei Tage nach Bekanntwerden des Ibiza-Skandalvideos von Ex-Obmann Heinz-Christian Strache neu orientiert und Minister Norbert Hofer zum neuen Parteichef designiert. Ein weiteres friedliches Nebeneinander mit der ÖVP schien dennoch unwahrscheinlich, denn die ÖVP will Innenminister Herbert Kickl aus dem Amt haben. Die FPÖ drohte für diesen Fall mit dem Rücktritt all ihrer Minister.
Am Tag nach dem Rücktritt von Strache trat das FPÖ-Präsidium am Sonntag in geheimer Sitzung zusammen, um die Nachfolge zu regeln. Abgeschattet von der Öffentlichkeit designierte das Gremium in einer rund vierstündigen Sitzung Hofer zum neuen Parteichef. Dieser soll erst nach der EU-Wahl vom Parteivorstand bestätigt werden und in weiterer Folge auf einem außerordentlichen Parteitag auch offiziell gewählt werden. "Die FPÖ geht geschlossen und geeint in die kommende Nationalratswahl, erklärte Hofer am Sonntagabend laut Partei-Angaben.
Öffentlich auftreten wird Hofer erst am Montag: Für 10.30 Uhr ist ein gemeinsames Medienstatement mit Innenminister Kickl geplant. Dessen Posten dürfte der zentrale Angelpunkt der weiteren Entwicklung sein, denn die FPÖ drohte unmissverständlich mit dem Rücktritt all ihrer Minister, sollte die ÖVP auf die Abberufung Kickls aus seinem Amt bestehen.
Genau das aber hat die Volkspartei vor, wie Kanzleramtsminister Gernot Blümel am späten Abend in der "ZiB 2" des ORF bestätigte: "Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten auch vorschlagen wird, den Innenminister aus der Regierungsverantwortung zu entlassen", sagte der enge Vertraute von Kurz.
Blümel begründete dies mit der Notwendigkeit, nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen. Es sei klar gewesen, dass auch die beiden Rücktritte von Parteichef Heinz-Christian Strache und Klubchef Johann Gudenus nicht zu einer Rückkehr zur Tagesordnung gereicht hätten. Das angebliche Angebot an die FPÖ, wonach Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum Weiterregieren mit der ÖVP bereit gewesen wäre, wenn Strache und auch Kickl gegangen wären, bezeichnete Blümel als "absurd".
Der Innenminister selbst kritisierte zuvor via Facebook die Rücktrittsaufforderungen. "Bundeskanzler Kurz und Bundespräsident Van der Bellen verlangen meinen Rücktritt als Innenminister", so seine Klage. Und er verlangte von beiden, sie sollten ihm die Gründe für die Forderung, das Ressort zu verlassen, "ins Gesicht" sagen.
Über einen Abgang aller blauen Minister freuen würde sich jedenfalls die Opposition. Deren Vertreter hatten zuvor genau diesen Schritt gefordert. Es sei eine Gefahr für Österreich, "dass die Räuberbande noch immer in der Regierung sitzt", meinte etwa der SPÖ-Listenerste Andreas Schieder.
Neue Vorwürfe tauchten dann am Abend gegen den bereits am Samstag von seinen Funktionen zurückgetretenen ehemaligen geschäftsführenden FPÖ-Klubchef Gudenus auf: Laut einem Bericht von SZ und Spiegel soll dieser auch nach dem Treffen in Ibiza mit dem Vertrauten der vermeintlichen russischen Investorin weitere Treffen in Wien abgehalten haben. Das würden Audio-Aufnahmen belegen. Am Abend gab die FPÖ dann bekannt, dass Gudenus "mit sofortiger Wirkung" aus der Partei austrete. Er werde auch sein Nationalratsmandat zurücklegen, hieß es.
Strache selbst, dem das Präsidium "seinen Dank für seine langjährige Arbeit" ausgesprochen hatte, meldete sich am frühen Abend via Facebook zu Wort und postete den Partei-Slogan "Jetzt erst recht!". Etwas später korrigierte er das Posting dann auf "FPÖ - Jetzt erst recht!", wohl auch, um tagsüber ventilierte Gerüchte, er könnte weiterhin Ambitionen innerhalb der FPÖ haben, zu entkräften. Selbiges wurde seitens der Partei bereits tagsüber strikt in Abrede gestellt.
Wie es nun mit der Regierung weitergeht, wird unter anderem die ÖVP in einem Parteivorstand am Montag besprechen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen plädierte zuvor am Sonntag nach einem Treffen mit Kurz für Wahlen im September. Der Kanzler selbst erklärte, dass er "in aller Ruhe die Arbeit bis zur Wahl fortsetzten" möchte.
Van der Bellen betonte einmal mehr, dass er sein Vertrauen "in einen Teil der Bundesregierung verloren habe". Jetzt müsse alles getan werden, um das Vertrauen wiederherzustellen, sagte er. Dazu werde er auch Hofer und die Chefs aller Oppositionsparteien zu Gesprächen einladen.
Kurz verlangte auch "lückenlose Aufklärung" zum Ibiza-Videos, "alle Verdachtsmomente" müssten geprüft werden. Ferner sei die Frage aufzuklären, "wie das Video entstanden ist und wer es beauftragt hat", betonte er. (APA)