Vorschau auf die 57. Viennale
Auf den Flamingo folgt die Schlange: Eva Sangiorgi, seit 2018 Chefin der Wiener Viennale, bleibt beim Plakatsujet für das Filmfestival dem Animalischen treu. Nach dem Rattenschwanz an Vorbereitungsarbeit hat sie sich nun für den Schwanz einer Schlange entschieden - als Symbol der Häutung, die das Filmfestival unter ihr durchmacht, wie bei einem ersten Ausblick auf die Ausgabe 2019 deutlich wurde.
Am 24. Oktober startet die 57. Ausgabe der heimischen Filmfestspiele, die dann bis 6. November wieder Randständiges und Mainstreamiges des Weltkinos vereint. "Ich fühle mich schon ganz zu Hause", unterstrich Sangiorgi, die im Vorjahr aus Mexiko nach Wien gezogen war. Wie bereits kurz nach ihrer Berufung in Nachfolge des überraschend verstorbenen Hans Hurch, vereint die Italienerin im Hauptprogramm auch heuer verschiedene Stimmen des Kinos, ohne dabei auf die Unterscheidungen von Spiel- und Dokumentarfilm zu replizieren. Es gehe schlicht um "Film", machte die Festivalchefin bei der Präsentation am Donnerstagabend klar.
In dieser Sektion, die derzeit noch nicht vollständig ist, sind etwa die neuen Werke von Marco Bellocchio ("Il Traditore"), den Gebrüdern Dardenne ("Le Jeune Ahmed"), Lav Diaz ("Ang Hupa") oder Elia Suleiman ("It Must Be Heaven") programmiert, deren Filmemacher allesamt persönlich in Wien erwartet werden. Zu sehen sind auch Festivalerfolge wie Nadav Lapids "Synonymes" oder Pedro Costas "Vitalina Varela" sowie Agnes Vardas letzter Film "Varda par Agnes".
Auch das heimische Filmschaffen wird unter der Ägide der 41-jährigen Sangiorgi seine Auslage behalten. Jessica Hausners Cannes-Schauspielgewinner "Little Joe" ist ebenso zu sehen wie Sabine Derflingers Politikerinnen-Biografie "Die Dohnal" als Weltpremiere. Anja Salomonowitz' "Dieser Film ist ein Geschenk" über den Künstler Daniel Spoerri wird vor dem Kinostart im Dezember genauso gezeigt wie Elsa Kremsers und Levin Peters in Locarno soeben uraufgeführtes "Space Dogs".
Beibehalten wird das Festivalzentrum im Museumsquartier als Anlaufpunkt der Festivalmeute. Neuerungen gibt es indes im Bereich der Sparten, auch wenn sie die Balance zwischen historischen und zeitgenössischen Werken halte, so Sangiorgi. Unter "Monografien" wird dem Werk einzelner Regisseure und Regisseurinnen gehuldigt, so heuer etwa der deutschen Filmemacherin Angela Schanelec. Diese ist ab November mit "Ich war zuhause, aber ..." im Kino präsent und wird für die Schau ihrer bisherigen Arbeiten persönlich in Wien erwartet. Selbiges gilt für ihren französischen Kollegen Pierre Creton. Dessen eigenproduziertem, hochkünstlerischem Schaffen widmet man sich unter dem Titel "Die Erde bestellen, filmen". "Es ist ein Oeuvre, das nicht von irgendwelchen Manierismen verseucht ist", umschrieb die Viennale-Chefin Cretons Werk. Auch der Tunesier Ala Eddine Slim wird als Kinowerker an den Rändern und als Chronist des Arabischen Frühlings und seiner Auswirkungen gefeiert. Und mit der portugiesischen Regisseurin Silvia das Fadas macht man sich schließlich auf die "Suche nach Geistern und Bildern".
Die "Kinematografien" indes vereinen Werke, die nach Themen geordnet sind. Geplant ist etwa eine Schiene namens "Brasilien entflammt!", die sich mit 20 Werken dem kinematografischen Schaffen des südamerikanischen Landes widmet. Das vergessene Werk der frühen Wiener Filmpionierin Louise Kolm-Fleck wiederum steht hinter der Sektion "Der weibliche Blick". Und schließlich widmen sich die "Historiografien" der Thematik des Kinos als Ort der Bewahrung und des Filmgedächtnisses, zeigen also etwa Werke, die erst kürzlich in Archiven gefunden wurden.
Die traditionelle Retrospektive in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum widmet sich heuer mit rund fünfzig Filmwerken und unter dem Titel "O Partigiano!" dem Partisanenfilm aus verschiedenen Ländern. "Es ist ein vergessenes Genre", so Filmmuseumschef Michael Loebenstein: "Und es sind Filme, in denen man einen Nazi auch einen Nazi nennen darf." Erwartet wird eine Feier der Widerständigkeit und des Widerspruchs gegen Systeme, manifestiert in ganz unterschiedlichen Stilen. (APA/Red/rs)