

Flughafen Wien: Schnittblumen im Blickpunkt
Die Schüttelkontrolle liefert Hannes Horn keinen Hinweis auf einen Befall, kein Tier fällt auf das weiße Papier. Aber als der Experte die Orchideen mit der Lupe untersucht, stutzt er, zupft eine Blüte ab und legt sie unters Mikroskop. Dort zeigt sich tatsächlich ein "Thrips" - zum Glück ein totes Exemplar. Würde der Schädling in die EU eingeschleppt, könnte er Gemüsekulturen massiv schädigen.
Auch wenn laut Blumenbüro Österreich 90 Prozent der zum Valentinstag hierzulande verschenkten Blumen aus der EU kommen, herrscht am Flughafen Wien bei der Schädlingskontrolle durch die Experten des Bundesamts für Ernährungssicherheit (BAES) derzeit Hochkonjunktur: "Valentinstag ist mit dem Muttertag und der Vorweihnachtszeit definitiv eine der Hochsaisonen für uns", erklärte Horn bei einem Lokalaugenschein der APA. Vor allem die Kontrollen von Schnittblumen nehmen da massiv zu, primär Orchideen und Rosen.
Erdbeeren aus Marokko, Weintrauben aus Chile - viele Waren aus Nicht-EU-Ländern, die nach Österreich importiert werden, landen zunächst einmal in den großen Häfen der Niederlande oder Deutschlands und werden dort - als Ersteintrittsstelle in die EU - auf Schädlinge untersucht. Alle Direkteinfuhren von Pflanzen und pflanzlichen Produkten aus Drittstaaten werden an den Flughäfen in Wien, Linz und Graz von rund zehn Experten des BAES begutachtet, also Obst, Gemüse, Schnittblumen und Saatgutsendungen.
Am Flughafen Wien, wo die meisten Kontrollen erfolgen, werden dazu noch im Frachtbereich die Waren überprüft. "Es gibt einen internationalen Standard, der genau vorgibt, wie groß die Stichprobe sein soll, die wir aus den einzelnen Warenpartien herausnehmen müssen, damit man eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, auch tatsächlich Schädlinge zu finden", so Pflanzengesundheits-Inspektor Horn.
Auf den Transportwägen rund um die kleine Kontrollstation finden sich beim Lokalaugenschein zahlreiche Kartons mit Mangos, Papayas, Chili, Thai-Ingwer und frische Maiskölbchen - alles Waren, die jedenfalls auf Schädlinge kontrolliert werden. Dazu kommen viele andere Gemüsearten und Kräuter wie Koriander, Zitronengras oder Frühlingszwiebel - Produkte, die stichprobenartig angeschaut werden. Manche Kartons wurden bereits mit einer Banderole mit der Aufschrift "Bundesamt für Ernährungssicherheit Amtlicher Pflanzenschutzdienst" und dem Bundeswappen wieder versiegelt, sie wurden kontrolliert und für schädlingsfrei befunden.
Die EU hat mit ihren Vorschriften Pflanzenschädlingen und deren Einschleppung nach Europa den Kampf angesagt. Erst im vergangenen Dezember trat dazu eine neue EU-Verordnung in Kraft, die u.a. ein Importverbot von sogenannte Hochrisikopflanzen und höhere Anforderungen bei der Einfuhr von Pflanzen aus Nicht-EU-Ländern umfasst. In den vergangenen Jahren hat man hier offensichtlich zu spät reagiert und eingeschleppte Pflanzenschädlinge sorgen seit Jahren für verheerende Schäden in Europa.
So bedroht das Bakterium Xylella fastidiosa den Olivenanbau im Mittelmeerraum, vernichtet der Buchsbaumzünsler eine Gartenhecke nach der anderen und verursachen das Feuerbrand-Bakterium und Maiswurzelbohrer massive Schäden in landwirtschaftlichen Kulturen. Die Vereinten Nationen haben 2020 zum Internationalen Jahr der Pflanzengesundheit ausgerufen und wollen damit das Bewusstsein für die Bedrohung durch die Einschleppung von Pflanzenschädlingen schaffen.
Das Problem dabei ist, dass Schädlinge, die sich in einer Region bereits etabliert haben, nur mehr sehr schwer auszurotten sind. Der Maiswurzelbohrer etwa war schon in halb Europa verbreitet, bevor koordinierte Maßnahmen zur Eindämmung gesetzt wurden. Sie erfolgten letztlich zu spät und waren daher nicht erfolgreich. Damit das nicht mit anderen Schädlingen erneut passiert, kontrollieren Hannes Horn und seine Kollegen Obst beispielsweise auf exotische Fruchtfliegen, Gemüse auf verschiedene Rüsselkäferarten und Schnittblumen auf "Thrips palmi".
Das tote Exemplar dieses Fransenflüglers, das Horn in der aktuellen Orchideen-Lieferung gefunden hat, "ist einerseits eine Bestätigung dafür, dass die Pflanzenschutzmaßnahmen im exportierenden Land funktionieren". Andererseits zeigt es, dass die Bedrohung real ist und der Schädling dort vorkommt. Deshalb wird bei solchen Funden die Stichprobengröße angepasst und es werden mehr Pflanzen kontrolliert.
Stellt sich die Frage, warum denn ein exotischer Orchideenschädling für Österreich bzw. Europa bedeutend sein soll? "Der Thrips schädigt zum einen durch seine Saugschäden die Vermarktbarkeit der Ware und gefährdet zum anderen als Überträger von Pflanzenviren die europäische landwirtschaftliche Produktion", sagte Horn. Der Schädling befällt Kürbis- und Nachtschattengewächse, Schmetterlingsblütler, Korbblütler, etc. und neigt zur Ausbildung von Resistenzen gegenüber Pflanzenschutzmitteln. Es besteht daher die Befürchtung, dass er sich nach einer Einschleppung unkontrolliert in Gewächshäusern ausbreiten könnte.
Aus diesem Grund hat die EU "Thrips palmi" als sogenannten "Unionsquarantäneschädling" gelistet, dessen Einschleppung und Verbreitung in die bzw. in den EU-Mitgliedstaaten verboten ist. Von den Exporteuren in Nicht-EU-Ländern wird verlangt, dass jede Sendung von einem Pflanzengesundheitszeugnis begleitet wird, das bestätigt, dass die Sendung frei von Schädlingen ist. "Wir führen auf europäischer Seite nur eine Nachkontrolle durch", sagte Horn.
Entsprechend gering sind auch die Beanstandungen: "Unsere Ablehnungsrate ist etwa fünf Prozent, wovon die Hälfte auf einen Befall mit Schädlingen zurückzuführen ist", sagte Horn. Ist eine Lieferung tatsächlich befallen, wird sie meist vernichtet, Rücksendungen kommen aufgrund der hohen Frachtpreise kaum vor. "Wir verpacken sie insektensicher und dann kommt sie unter zollamtlicher Aufsicht in die Verbrennungsanlage."
Die strengen EU-Regeln gelten übrigens nicht nur für Exporteure von Pflanzen und pflanzlichen Produkten, sondern auch für Touristen. Der Glücksbambus oder Kaktusableger als Urlaubssouvenir hat damit ausgedient. "Es ist ganz wichtig ist, dass sich die Leute bewusst werden, dass jede Pflanze und jedes pflanzliche Produkt, die bzw. das man aus Nicht-EU-Ländern mitnimmt, ein gewisses Schadpotenzial haben kann", sagte Horn. Deshalb darf man sich auch nicht mehr in die EU mitbringen, es sei denn, man kann ein Pflanzengesundheitszeugnis dafür vorweisen. "Damit kann jeder einzelne dazu beitragen, das System sicherer zu machen." (APA)