Pandemie verschärfte Lage für Migrant:innen
Die Coronapandemie hat die Situation der in Wien lebenden Migrantinnen und Migranten verschärft. Das geht aus einem am Freitag präsentierten Bericht des von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) ins Leben gerufenen Integrationsrats hervor. Betroffen sind Bereiche wie Arbeit, Bildung und Wohnen. Auch diskriminierende Erfahrungen haben zugenommen. Zugleich wurde klargestellt, dass etwa die Impfbereitschaft nicht geringer ist als im Rest der Bevölkerung.
Wiederkehr bekräftigte einmal mehr, dass der Integrationsrat - in dem sich Fachleute aus verschiedenen Bereichen mit dem Thema auseinandersetzen - ein Element sei, um vernünftige und lösungsorientierte Politik zu betreiben, die das Gemeinsame vor das Trennende stelle. Als ersten großen Schwerpunkt hat sich das Gremium mit den Auswirkungen und Folgen der Pandemie beschäftigt. Denn diese habe auch im Integrationsbereich ihre Spuren hinterlassen, wie Wiederkehr beteuerte.
Die Sprecherin des Rats, die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger, berichtete, dass Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich stark von der Pandemie betroffen sind - und zwar nicht vorrangig in punkto Infektionshäufigkeit. Vielmehr sind die ökonomischen, sozialen und psychischen Auswirkungen zum Teil massiver. Generell habe sich gezeigt, dass Personen, die wenig integriert und kaum sozial eingebunden sind, oft Informationen nicht erhalten. Verschärft habe sich die Situation dadurch, dass community-basierte Aktivitäten während der Ausgangsbeschränkungen reduziert worden seien. Soziale Inklusion als Folge gelungener Integration könne hingegen helfen, solche Defizite zu vermeiden, betonte Kohlenberger.
Am Arbeitsmarkt zeigen sich wiederum zwei unterschiedliche Entwicklungen. Zum einen sind Zuwanderer verstärkt von Arbeitslosigkeit betroffen. Vor allem bei Menschen, die erst relativ kurz in Österreich seien, also etwa Personen aus Syrien oder Afghanistan, betrage der Anstieg der Arbeitslosenquote 45 Prozent. "Das ist sehr hoch", konstatierte Kohlenberger. Mit ein Grund dafür seien die Schließungen im Tourismus und der Gastronomie bzw. der Umstand, das viele Betroffene erst kurz in Beschäftigung waren. Nach dem Prinzip "first in, first out" würden diese in Krisenzeiten ihre Arbeitsstelle oft rasch wieder verlieren.
Kohlenberger verwies aber auch darauf, dass viele Migrantinnen und Migranten in systemrelevanten Berufen wie Pflege, Lieferdienste, Supermärkte und Reinigungsdienste tätig seien. "Diese Arbeitskräfte haben die Stadt am Laufen gehalten." Die Anerkennung dafür sei aber oft ausgeblieben, beklagte sie. Problematisch ist laut der Wissenschafterin auch der Umstand, dass Betroffene oft teuer und relativ schlecht wohnen. Die finanzielle Belastung sei dadurch oft hoch, auch psychische Probleme durch Homeoffice und Homeschooling auf kleinstem Raum würden zunehmen.
Zugenommen haben laut dem Bericht auch Abwertungserfahrungen. Ein massiver Anstieg ist laut Kohlenberger etwa bei Anfeindungen gegen Menschen aus Asien zu verzeichnen - da das Virus von dort stamme. Hass im Netz sei stark angestiegen, auch in der Mitte der Gesellschaft seien Vorurteile zu bemerken gewesen. Sie erinnerte etwa daran, dass anfangs versucht worden war, unter Schlagwörtern wie "Türkenhochzeit" oder "Balkanheimkehrer" ethnischen Gruppen die Verantwortung für die Infektionszahlen in die Schuhe zu schieben.
Auch die Impfskepsis bei Zuwanderern ist nicht höher als bei anderen Gruppen, erläuterte sie. Das betreffe auch die damit zusammenhängenden Mythen. Bei den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen seien Migranten sogar stark unterrepräsentiert, wie betont wurde.
Wiederkehr kündigte heute neue Integrationsprojekte an, die den Schwerpunkt auf den Dialog mit den Communitys legen sollen. So werden etwa kostenlose Elternbildungsworkshops für Schulen und Vereine angeboten. Gefördert werden auch Angebote, die den Folgen der Pandemie entgegenwirken. Migrantische Organisationen werden zudem im Rahmen des Projekts "Dein Wien. Deine Stadt" zu Gesprächen eingeladen. Auch Ausbildungsprogramme für Kommunikatorinnen und Kommunikatoren in den Communitys sind in Planung. (APA)