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Der neue Gesundheitsminister ist Wiener Der neue Gesundheitsminister ist Wiener
Politik

Der neue Gesundheitsminister ist Wiener

Im Gesundheitsministerium überschlagen sich die Ereignisse. Auf Rudolf Anschober folgt Wolfgang Mückstein.
Barbara Duras
Dienstag, 13. April 2021
Verfasst am 13.04.2021 von Barbara Duras

Gesundheitsminister Rudolf Anschober tritt zurück. Bei einer kurzfristig angesetzten "persönlichen Erklärung" in Wien sprach Anschober von einer "Überlastungssituation" und berichtete von einem Kreislaufkollaps vor einem Monat und einem weiteren vor einer Woche. "Ich bin überarbeitet und ausgepowert", sagte 60-Jährige. Daher habe er sich entschieden sein Amt zurückzulegen. Seine Nachfolge übernimmt der Wiener Allgemeinmediziner Wolfang Mückstein, der als Leiter des Primärversorgungszentrums in Mariahilf bekannt ist. In der Wiener Ärztekammer fungierte der Mit-Vierziger über ein Jahrzehnt lang als Referent für Gruppenpraxen und neue Organisationsformen. (Mehr zu Wolfgang Mückstein am Ende des Beitrags)

"In der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist", begründete Anschober seinen Abgang. Und: "Ich will mich auch nicht kaputt machen." Bis Montag soll Vizekanzler Werner Kogler die Geschäfte führen, dann soll sein Nachfolger Mückstein angelobt werden. Zu Mittag gibt Kogler eine Pressekonferenz.

Er habe seit 14 Monaten praktisch durchgearbeitet, und "ich hab mich dabei ganz offensichtlich überarbeitet", erklärte Anschober mit brüchiger Stimme in einer rund halbstündigen Pressekonferenz Dienstagvormittag im Gobelinsaal des Ministeriums. Zunehmend sei ihm die Kraft ausgegangen, als Folgen seiner Überlastung habe er mit Kreislaufproblemen, steigendem Blutdruck, Probleme mit dem Blutzuckerspiegel und einem beginnenden Tinnitus zu kämpfen gehabt. Vor einem Monat hatte Anschober den ersten Kreislaufkollaps, über den er auch offen gesprochen habe, denn "für Erkrankungen braucht sich niemand schämen".

Nachdem er keine organischen Schäden davongetragen hatte, wollte er es noch einmal versuchen, schilderte Anschober. Der zweite Kollaps folgte jedoch vergangenen Dienstagmorgen. "Ich hab gemerkt, da muss ich jetzt für mich eine Notbremse ziehen." Ein Burnout wie vor mehreren Jahren habe er diesmal nicht, betonte Anschober. "Ich bin überarbeitet und ausgepowert – das ist es.

Die Ärzte hätten ihm zur Schonung und einer Auszeit geraten, und er sei auch der Meinung, dass dies grundsätzlich in jedem Beruf möglich sein müsste - aber in der Corona-Pandemie sei man eben nicht in einer normalen Situation. Die Pandemie mache keine Pause, deshalb könne auch der Minister keine Pause machen. Da er sich selbst kenne, wisse er auch, dass er stets 100 Prozent Leistung bringen wolle, auch wenn er nur zur Hälfte fit sei.

Anschober legt sein Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder

Er habe sich deshalb entschlossen, seine Funktion als Minister niederzulegen und Bundespräsident Alexander Van der Bellen gebeten, ihn mit kommendem Montag zu entbinden und einen Nachfolger anzugeloben. Bis dahin werde er von Kogler vertreten. Er wolle nun eine gute Übergabe sicherstellen, betonte Anschober.

„Wir haben vieles geplant und vieles in Angriff genommen und mittlerweile auch vieles soweit vorbereitet, dass es umgesetzt werden kann. Eine  umfassende Pflegereform wurde vorbereitet, mit der wir in Kürze in Umsetzung gehen können. Das wird die größte Pflegereform, die es seit Jahrzehnten in Österreich gegeben hat - die braucht es auch dringend. Gerade in den letzten Tagen ist das wieder einmal sichtbar geworden. Ich möchte mich auch bedanken, dass gestern von einem Vertreter der Pflege sehr gut Worte gefunden worden sind, darüber was es braucht, um die Ausbildung zu verbessern, mehr Gerechtigkeit und eine bessere Entlohnung zu schaffen. Denn wir sprechen viel über unsere Intensivstationen im Augenblick. Die Menschen, die hier arbeiten sind seit Monaten über das was erträglich ist hinaus tätig. Sie leisten eine unfassbar gute Arbeit, gleichgültig ob Ärzt*innen oder Pfleger*innen.
Wir haben eine umfassende Kennzeichnung für Lebensmittel in Vorbereitung und bereits in Umsetzung. Wir haben vieles im Bereich des Tierschutzes in Vorbereitung und ebenfalls in Umsetzung. Gesundheitsvorsorge und Prävention soll in Österreich in Zukunft groß geschrieben werden und wir wollen einen für mich einen sehr wichtigen Schwerpunkt umsetzen, für den auch ebenfalls alles vorbereitet ist und die Türen geöffnet. Das ist ein massiver Ausbau der psychosozialen Versorgung in diesem Land. Ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit in den letzten Monaten sind Maßnahmen gegen die Altersarmut von Frauen, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit in diesem Land gegen die es anzukämpfen gilt“, sagte Rudolf Anschober in seiner emotionalen Rücktrittsrede und übergibt diese Agenden offiziell an seinen Nachfolger.

Für die Zeit nach seiner Erholung habe er "noch keine konkreten Pläne". Er werde sein Wissen und seine Kompetenz aus jahrelanger Regierungstätigkeit - Anschober war früher Landesrat in Oberösterreich - weitergeben. Auch wolle er "irgendwann" seinen Traum erfüllen und einen politischen Roman schreiben. Dafür habe er in seiner Zeit als Minister wohl "die eine oder andere Inspirationsquelle" gefunden.

Am Ende seines emotionalen Statements bedankte sich Anschober mit den Tränen kämpfend bei seiner Partnerin, seinen Mitarbeitern, dem grünen Regierungsteam und dem grünen Klub sowie Werner Kogler, "meinem Freund". Dank sprach Anschober auch all jenen Menschen aus, die ihm Mails, Briefe, Blumen und Mehlspeisen geschickt haben. "Und Ihnen sag' ich Auf Wiedersehen", verabschiedete sich Anschober bei den Journalisten und verließ unter Applaus seiner Mitarbeiter den Saal.

Werner Kogler präsentiert den neuen Gesundheitsminister

„Die Politik, die Gesundheitseinrichtungen und ihre Mitarbeiter*innen, sowie letztendlich wir alle, sind in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten gemeinsam gefordert die Situation zu meistern. Als Bundesregierung ist uns deutlich bewusst, dass wir diese Herausforderung weiter bewältigen müssen. Gerade deshalb brauchen wir jetzt jemanden, der mit Expertise und Kraft diese Gesundheitskrise managt. Neben mir steht jemand, der das kann.“

Mit diesen einleitenden Worten stellte Vizekanzler Werner Kogler den Nachfolger Rudolf Anschobers in einer Pressekonferenz Dienstagmittag vor. Doch bevor er das Wort an Wolfang Mückstein übergab, bedankte er sich bei seinem Kollegen. „Danke Rudi! Was Rudi Anschober in den letzten Monaten geleistet hat ist unglaublich - mit so viel Engagement und Kompetenz. Die Pandemie hat ganz Europa und die ganze Welt gefordert und in dieser Zeit voll Unsicherheit und Fragen, hat Rudi Anschober jeden Tag alles gegeben und ohne Pause für den Gesundheitsschutz der Menschen in diesem Lang gearbeitet. Es ist eine Herkulesaufgabe mit ständig neu hinzukommenden Aufgaben und mit vielen, neuen Herausforderungen. Er hat in dieser Zeit viele schwierige Entscheidungen getroffen, auch viele unpopuläre und er ist für jede seiner Entscheidungen geradegestanden. Er hat sich immer den kritischen Fragen gestellt und auch Fehler zugegeben. Das ist nicht selbstverständlich. Und es ist logisch, dass Fehler passieren, wenn so viel gehobelt werden muss, da fallen auch Späne. Er ist politisch wie menschlich mit viel Einfühlungsvermögen an die Aufgabe herangegangen“, sagte Kogler vor den anwesenden Medienvertretern.

Wolfgang Mückstein wird am kommenden Montag angelobt

Wolfgang Mückstein soll am kommenden Montag als neuer Gesundheits- und Sozialminister angelobt werden. Der Mit-Vierziger hat 2010 das erste Primärversorgungszentrum Österreichs gegründet, wo er Partner ist und kennt sich im Österreichischen Gesundheitswesen weitreichend aus. Als praktizierender Allgemeinmediziner verbinde er medizinische Expertise mit sozialem Einfühlungsvermögen und er sei ein Macher, so Werner Kogler. „Die Gesundheitskrise betrifft uns alle in unterschiedlichen Bereichen und in unterschiedlichem Ausmaß. Es war und ist eine Ausnahmesituation in diesem Land und wird es noch eine Zeit lang bleiben. Diese Aufgabe geht über die gesundheitlichen Fragen hinaus, denn sie betrifft alle Bereiche des Zusammenlebens. Es geht um die gesundheitlichen und sozialen Folgen dieser Krise. Und wer ist da besser geeignet, als ein Mann der Praxis, der aus vielen Jahren an Erfahrung schöpfen kann und beides verbindet, weil er als Arzt derjenige ist, der schon mit gesundheitlichen und sozialen Problemen tausender Menschen konfrontiert war und als langjähriger Funktionär der Ärztekammer weiß wo in gesundheitlichen Fragen der Schuh drückt und er hat bewiesen, dass er anpacken kann“, stellt der Vizekanzler den neuen Minister seines Regierungsteams ausschweifend vor.

Der Wiener Wolfgang Mückstein hat in den vergangenen Jahren im ersten Primärversogungszentrum Österreichs ein kompetentes Team aufgebaut und verlängerte Öffnungszeiten eingeführt, um seinen Patient*innen ein verbessertes Service zu bieten. Währenddessen war er für die Ärztekammer in verschiedenen Funktionen tätig und für die Etablierung neuer Hausarztmodelle zuständig. Ende 2019 war er bereits in die Entwicklung der Grünen Regierungsagenden des Gesundheits- und Sozialministeriums involviert. Ab Montag soll er nun neuer Gesundheitsminister sein. "Ich habe mir das gut überlegt", betonte Mückstein bei seiner Präsentation mit Vizekanzler Kogler, bei der keine Journalistenfragen zugelassen waren.

"Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie Gesundheitsminister zu werden und damit oberster Krisenmanager, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe." Die Entscheidung sei eine schwierige gewesen, aber es sei ihm relativ bald klar geworden, "ich möchte mithelfen, dass wir alle miteinander so gut wie möglich durch die Pandemie kommen", erklärte Mückstein. Die Bewältigung der Pandemie sei eine "historische Aufgabe".

Er habe selbst Kinder im Homeschooling und eine Frau im Homeoffice, in seiner Praxis habe er auch die Kollateralschäden der Pandemie wie Schlafstörungen bei Kindern erlebt, meinte Mückstein. Den Kindern fehlten die Freunde und die Schule, aber mit den Fallzahlen derzeit sei der Lockdown im Osten sicher die einzige Möglichkeit. Wenn die Intensivstationen an ihre Grenzen kommen, "dann bin ich für einen Lockdown, um Menschenleben zu retten". Er habe großen Respekt vor der Entscheidung von Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, den Lockdown zu verlängern - es handle sich um eine unpopuläre Entscheidung, aber "sie ist richtig". Überhaupt habe er sich als Leitlinie vorgenommen: "Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe."

Auch appellierte der designierte Gesundheitsminister an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Man kämpfe mit Verzögerungen beim Impfstoff, und er wolle "keine Luftschlösser bauen", betonte Mückstein, es werde noch dauern, bis alle geimpft seien. Ob Juli oder August, werde man sehen, aber er verspreche, alles für eine gute Zusammenarbeit aller Akteure zu tun. Besonders wichtig in seiner neuen Aufgabe sei ihm auch der Sozialbereich, so sei es "hoch an der Zeit", die Pflegesysteme zu modernisieren. (APA/Red)