Schließen
Intensivmediziner-Gipfel mit Bürgermeister Ludwig Intensivmediziner-Gipfel mit Bürgermeister Ludwig
Gesundheit

Intensivmediziner-Gipfel mit Bürgermeister Ludwig

Die angespannte Situation auf den Intensivstationen könnte eine erneute Verlängerung des Lockdowns zur Folge haben.
Barbara Duras
Montag, 12. April 2021
Verfasst am 12.04.2021 von Barbara Duras

Bürgermeister Michael Ludwig lädt am Montagnachmittag ab 13.30 Uhr zu Beratungen mit bedeutenden Intensivmediziner*innen, um die Lage insbesondere in den Spitälern zu beurteilen. Stufe acht, von insgesamt acht Stufen des Corona-Krisenplans, ist längst erreicht - die Gesundheitsversorgung ist am Limit. Von Seiten der Stadtregierung werden auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr, bei den Beratungen dabei sein. Renommierte Intensivmediziner*innen rechnen erst in vier bis sechs Wochen mit einer Entspannung der Situation und berichten von zunehmend jüngeren Patient*innen mit schweren Verläufen. Eine Verlängerung des Lockdowns im Osten Österreichs wird immer denkbarer.

Diese Mediziner*innen sind zu dem Gipfel geladen, um die Situation in den von ihnen verantworteten Gebieten darzustellen:

  • Intensivmedizinerin Prim. Drin Sabine Schmaldienst
  • Lungenfacharzt Prim. Dr. Arschang Valipour
  • Post-COVID Spezialistin der Klinik Penzing Prim. Drin Sylvia Hartl
  • Prim. Prof. DDr. Barbara Maier vom Geburtshilfezentrum für COVID-Schwangere
  • Public Health Experte Prof. Dr. Hans-Peter Hutter
  • Intensivmediziner an der Klinik am AKH Prof. Dr. Thomas Staudinger
  • Vizerektor Oswald Wagner von der Meduni Wien

    „Bei dem heutigen Gipfel haben die teilnehmenden Medizinerinnen und Mediziner geschildert wie die Situation und die Lage in ihren Bereichen ist. Die Wahrheit ist, die Intensivstationen sind fast voll. Fakt ist, dass wir aber nicht voll werden wollen und es ist wirklich eine sehr undankbare Situation für alle. Das Personal ist am Limit und man möchte die Zahlen senken. Daher ist die drängende Frage wie, wo, was zu tun ist? Wenn jemand infiziert ist, dann dauert es eine Zeit lang bis diese Person ins Krankenhaus oder auf eine Intensivstation kommt. Die täglichen Infektionszahlen sagen diesbezüglich so gut wie gar nicht aus. Bürgermeister Michael Ludwig hat sich daher informiert wie die Situation aussieht und was sich auf den Intensivstationen abspielt. Die Diskussion war sehr in Ordnung, geradlinig und offen. Jetzt geht es darum zu entscheiden wie die Zukunft aussehen soll. Damit beschäftigt sich auch eine eigene Kommission zu den Öffnungsschritten diese Woche. Dabei muss die Situation umfassend abgewogen werden und alle Fakten miteinbezogen", so Public Health Experte Prof. Dr. Hans-Peter Hutter nach der Videokonferenz am Montagnachmittag.
     

Höchst anspannte Situation auf den Intensivstationen

Besonders in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist die Situation auf den Intensivstationen wegen der vielen Corona-Patienten weiterhin angespannt. Laut aktuellen Prognosen sei für die kommenden Wochen keine Entlastung in Sicht. "Das stellt uns weiterhin vor große Probleme", betonte Klaus Markstaller von der Intensivmedizin-Gesellschaft ÖGARI am Montag. Österreichweit wurden am Sonntag 602 Covid-Patienten intensivmedizinisch betreut, doppelt so viele wie Anfang März.
In Wien hat sich in demselben Zeitraum die Zahl fast verdreifacht und liegt um fast 50 Prozent über dem Spitzenwert der zweiten Welle Ende November, berichtete die ÖGARI in einer Aussendung. Auch in Niederösterreich und dem Burgenland wurden die damaligen Spitzenwerte zuletzt überschritten, nicht hingegen in den anderen Bundesländern. Diese betonten jedoch eine Bereitschaft zur Übernahme von Patienten.

"Eine Überforderung der Intensivversorgung durch die Covid-19-bedingte Zusatzbelastung kann zum Risiko für alle werden, weil über die Intensivstationen hinaus zahlreiche andere Bereiche der Gesundheitsversorgung betroffen sind", erläuterte Markstaller. Die komplexen Auswirkungen würden laut dem Wiener AKH-Mediziner oft unterschätzt. Bei zu vollen Intensivstationen müssen teils große Operationen verschoben werden, bei denen nach dem Eingriff ein Intensivbett benötigt würde. Zudem muss auf überlasteten Intensivstationen Personal aus anderen Bereichen eingesetzt werden, das auch für kleinere Eingriffe fehlt, die dann ebenfalls verschoben werden müssen.

Wichtige, medizinische Eingriffe müssen verschoben werden

"Unsere Intensivstationen sind regelmäßig, ganz ohne zusätzliche Belastungen wie die Pandemie oder zum Beispiel Katastrophen oder Großunfälle, zu 75 bis 90 Prozent belegt", warnte ÖGARI-Präsident Walter Hasibeder vom Krankenhaus St. Vinzenz in Zams. Sind zehn bis maximal 15 Prozent aller Intensivbetten einer Region durch eine zusätzlich belegt, ist das kein Problem. "Bei bis zu 30 Prozent zusätzlicher Belegung durch Covid-19-Patientinnen und -Patienten müssen Maßnahmen zur Ressourcenentlastung ergriffen werden, zum Beispiel Überstunden oder das Verschieben bestimmter zwar wichtiger, aber nicht dringender Eingriffe."

Bei 30 bis 50 Prozent Zusatzbelegung kommt es zur Selektion: Es müssen auch wichtige Eingriffe verschoben werden, die nicht akut lebensnotwendig sind, zum Beispiel Krebs-OPs. Oder Vorsorgeangebote in der Kardiologie oder anderen Bereichen können nicht mehr voll gewährleistet werden. Das alles könne zu gesundheitlichen Verschlechterungen für Betroffene führen, betonte Hasibeder. "Ab einer 50-prozentigen Belegung der Intensivkapazitäten durch Covid-19 Patientinnen und -patienten oder andere Zusatzbelastungen kommt es schließlich zur viel zitierten 'Triage' und einem Kollaps des Systems, wie wir das aus der frühen Pandemiephase zum Beispiel aus Bergamo kennen." Umso wichtiger ist es laut Hasibeder, die Infektionszahlen und damit auch Intensivzahlen nachhaltig zu senken, um eine angemessene Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen zu können. (APA/Red)