Armutsgefährdeten fehlt Geld für Grundversorgung
Neun von zehn armutsgefährdeten Familien in Österreich fehlt es laut Volkshilfe während der Pandemie an Geld für Kleidung, Essen und Wohnen. Diese Daten stellte die NGO am heutigen Mittwoch bei einer Pressekonferenz vor; erhoben wurden sie im Zuge des Projekts "Existenzsicherung", bei dem rund 1.200 Kinder armutsgefährdeter Familien unterstützt werden. Um Kinderarmut abzuschaffen, brauche es eine Kindergrundsicherung, forderte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger.
Rund 500 armutsgefährdete und -betroffene Familien erhalten ein Jahr lang 100 Euro monatlich pro Kind - je die Hälfte der Kinder sind Mädchen und Burschen - und werden von Sozialarbeitern begleitet. Das Projekt wird laut Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger vom Sozialministerium mit einer Summe von über einer Million Euro unterstützt. Hilfe müsse ganz konkret am Menschen Wirkung entfalten, stellte er fest. In Gesprächen mit den unterstützten Familien suchte die NGO deshalb herauszufinden, mit welchen Problemen sie konfrontiert sind: 43 Prozent erlebten demnach wegen der Coronapandemie psychosoziale Belastungen, 33 Prozent Mehrfachbelastungen, elf Prozent verloren Einkommen.
Das Geld wollen neun von zehn Familien für die absolute Grundversorgung ausgeben - 54 Prozent nannten Kleidung, 33 Prozent Lebensmittel und 24 Prozent Wohnen. "Für mehr bleibt wenig übrig", zitierte Fenninger eine Mutter aus dem Projekt, das noch bis April läuft. Für ihn zeichne sich ein klares Bild: Armutsbetroffene Familien hätten so wenig Geld, dass die Unterstützung kein Plus ermögliche. Die Volkshilfe geht davon aus, dass der aktuelle Preisanstieg bei Nahrungsmitteln, Energie- und Mietkosten das Problem nur weiter verschärfen werde. Der Teuerungsausgleich von 150 Euro ist für Fenninger ein Schritt in die richtige Richtung, er reiche aber nicht aus. Er wünscht sich von der Regierung eine doppelt so hohe Hilfe, die nicht einmalig, sondern monatlich ausgezahlt werde, "solange die Inflation so hoch ist."
Fenninger wiederholte seinen Appell für eine staatliche Kindergrundsicherung, die seit Langem auf der Liste der Forderungen der Volkshilfe steht. Für eine Kindergrundsicherung hatte sich auch Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) im Dezember ausgesprochen, allerdings mit dem Verweis, dass diese nicht im Regierungsprogramm vorgesehen sei. Die Kindergrundsicherung werde von etlichen Parteien unterstützt, sagte Fenninger, eine Mehrheit im Nationalrat erwarte er sich derzeit dennoch nicht. Aber: "Steter Tropfen höhlt den Stein." Die Befunde seien so klar, dass sich die Politik der Forderung nicht mehr lange entziehen werde können.
Jede vierte Familie will mit der finanziellen Hilfe Schulsachen kaufen, jede zehnte Familie Geld für Computer, Drucker und Internetanschluss ausgeben. 15 Prozent wollen Geld für Soziales ausgeben. Zuerst müsse in Essen, Kleidung und Wohnen investiert werden, Geburtstage, Ausflüge und Weihnachten bleiben oft auf der Strecke, konstatierte Fenninger. Das Weihnachtsfest ist für jede fünfte Familie eine besondere finanzielle Belastung.
Gesundheitliche Kosten wollen zehn Prozent der Familien mit dem Geld decken - vor allem Therapiekosten schlagen dabei zu Buche. Fenninger monierte den Mangel an kassenfinanzierten Therapieplätzen sowie die fehlende Kostenübernahme bei manchen Therapien. Bei medizinischer Indikation will die Volkshilfe kostenfreie Therapien ohne Wartezeiten für Kinder und Jugendliche, die kassenfinanzierte pädiatrische Gesundheitsversorgung soll in ganz Österreich sichergestellt werden.
Um Kinderarmut abzuschaffen, fordert die Volkshilfe außerdem den flächendeckenden Ausbau kostenfreier Kinderbetreuungseinrichtungen und der ganztägigen Schulformen sowie Nachmittagsbetreuung und ein kostenfreies Angebot für Frühstück und warmes, gesundes Mittagessen in Kindergärten und Schulen. Eltern sollen über die Anpassung von Transferleistungen und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes finanziell abgesichert werden. (APA/Red)