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Teuerungswelle bedroht Einkommensschwache Teuerungswelle bedroht Einkommensschwache
Soziales

Teuerungswelle bedroht Einkommensschwache

Volkshilfe: Menschen mit geringem Einkommen wissen kaum noch, wie sie die Kosten des Alltags bewältigen sollen.
Barbara Duras
Donnerstag, 28. April 2022
Verfasst am 28.04.2022 von Barbara Duras

Wie stehen die Menschen in Österreich zu angekündigten Reformen von Arbeitsminister Kocher im Arbeitsmarktbereich? Wie werden die Überlegungen zu einem Absenken des Arbeitslosengeldes aufgenommen? Und unternimmt die Regierung genug gegen die Teuerungswelle? Die Volkshilfe hat gemeinsam mit SORA die Menschen in Österreich dazu befragt.

Das Thema, das vor allem Geringverdiener*innen, Sozialhilfebezieher*innen und arbeitssuchenden Menschen tagtäglich unter den Nägeln brennt, das ist die Teuerung. Im März 2022 stiegen die Verbraucherpreise in Österreich um 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, und um 2 Prozent gegenüber dem Vormonat. Und ein rasches Ende ist nicht in Sicht.

Teuerungswelle legt Versäumnisse der Regierung offen

Während Menschen mit höherem Einkommen die Teuerungen bei Tanken, Heizen und Lebensmitteln verkraften, wissen Menschen mit geringem Einkommen kaum noch, wie sie die Kosten des Alltags bewältigen sollen. Denn sie verwenden ihr gesamtes Einkommen für dringend benötigte Konsumausgaben, doch lt. aktuellem WIFO Bericht reicht das oft nicht und es wächst die Verschuldung.

All das schlägt sich auch in der aktuellen Umfrage nieder. Mehr als 9 von 10 Menschen in Österreich (92%) fordern angesichts der hohen Inflationsrate eine bessere Unterstützung für Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen. „Bisher ist sehr viel geredet und beobachtet worden, aber viel zu wenig passiert. Akut brauchen die Menschen höhere Einmalzahlungen, für armutsbetroffene Haushalte sollte es ein Recht auf Energie und damit auch eine für sie kostenlose Energieversorgung geben. Vor allem brauchen wir strukturelle Maßnahmen, um die akut armutsbetroffenen Haushalte nicht ins absolute Elend zu stoßen“, so der Direktor der Volkshilfe Österreich Erich Fenninger im Rahmen der heutigen Pressekonferenz. „In unseren Beratungsstellen häufen sich die verzweifelten Anrufe von Menschen, die sich nicht mehr zu helfen wissen und dringend Hilfe brauchen“, so Fenninger.

Statt Kürzungen und noch mehr Druck: Echte Unterstützung für arbeitslose Menschen

Im Rahmen der geplanten Reform des Arbeitslosengeldes stellt das Arbeitsministerium eine Reihe von Maßnahmen in den Raum, die den Druck auf arbeitslose Menschen erhöhen sollen: Von einem Verbot für geringfügige Zuverdienste für arbeitslose Menschen bis hin zu einem Absenken des Arbeitslosengeldes mit fortdauernder Arbeitslosigkeit. Viele Menschen haben in der Corona-Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren. Doch statt mehr Druck auf arbeitslos gewordene Menschen braucht es mehr Engagement von Unternehmen und vom Staat. Mehr als drei 8 von 10 Menschen in Österreich (86%) sind der Ansicht, es braucht bessere Arbeitsbedingungen in den Unternehmen statt mehr Druck auf Arbeitslose.

Nebenjobs sollen neben Bezug von Arbeitslosengeld möglich sein

Für die Bevölkerung gehen die Vorhaben des Arbeitsministers jedoch in die falsche Richtung. Rund 9 von 10 Menschen in Österreich (88%) sind für ein Fortbestehen der Möglichkeit für arbeitslose Menschen, das Arbeitslosengeld durch geringfügige Nebenjobs aufzubessern, um besser über die Runden zu kommen.

Mehrheit für Erhöhung des Arbeitslosengeldes

Darüber hinaus ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht für ein automatisches Absenken des Arbeitslosengeldes, sondern für eine Erhöhung. 7 von 10 Menschen (70%) sind für eine Anhebung von derzeit 55% auf 70% des Nettoeinkommens. Von jüngeren Menschen (15 bis 29 Jahre; 76%) sowie von Arbeiter*innen (78%) erfährt diese langjährige Forderung der Volkshilfe besonders breite Zustimmung. Seit vergangenem Jahr ist die Zustimmung noch um 11% gestiegen.

„Die Volkshilfe betreibt zahlreiche sozialökonomische Betriebe und Arbeitsmarkt-projekte. Daher kennen wir die Sorgen der Menschen sehr genau und setzen uns seit langer Zeit für eine Erhöhung des Arbeitslosgengeldes auf 70% des Letztbezugs ein. Ein degressives Modell, das am Ende sogar unter der derzeitigen Nettoersatzrate von 55% liegt, sorgt bei den Betroffenen nur mehr für Kopfschütteln. Denn niemand kann von etwas mehr als der Hälfte seines Einkommens leben“, so Fenninger.

Garantie auf einen fairen Arbeitsplatz

Darüber hinaus stimmt eine breite Mehrheit der Bevölkerung (87%) einer Garantie auf einen fairen Arbeitsplatz zu, um die Arbeitslosigkeit dauerhaft zu bekämpfen. „Dazu bedarf es einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, um vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Denn dieser Sockel ist hoch und wird auch ohne zusätzliche staatliche Maßnahmen nicht entscheidend kleiner werden“, so Fenninger.

Strukturelle Änderungen

Krisen wie die Pandemie oder die aktuelle Teuerungswelle sind immer ein Stresstest für das Sozialsystem. Wie gut sichert es die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung ab? „Im Moment sehen wir, dass Versäumnisse in der Sozialpolitik jetzt besonders durchschlagen. Die Verschlechterungen in der Sozialhilfe werden, auch mit den gestern angekündigten Korrekturen, vielen Menschen weiterhin das Leben schwer machen. Daher braucht es strukturelle Maßnahmen, um die Menschen akut gegen die Teuerungswelle zu schützen und dauerhaft abzusichern“, fordert Fenninger:

- Reform der Sozialhilfe und eine Wiedereinführung der Mindestsicherung
- Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70%
- Einführung eines Mindestlohns auf Euro 1 750
- Einführung einer Energiegarantie und kostenloser Energie für Sozialhilfebezieher*innen und weitere benachteiligte Gruppen
- Rasche Erhöhung der Mietzinsbeihilfe
- Einführung der Kindergrundsicherung
- Erhöhung der Ausgleichszulage für ältere Menschen

„Die Steuereinnahmen des Staates sprudeln, jetzt ist es Zeit, einkommens- schwache Haushalte dauerhaft abzusichern“, so Fenninger abschließend.


Fragen und Antwortmöglichkeiten im Wortlaut


Die Corona-Pandemie hat viele Menschen in Österreich auf dem Arbeitsmarkt sehr hart getroffen. Stimmen Sie folgenden Aussagen zum Thema Arbeit sehr, ziemlich, wenig oder gar nicht zu?

  • Menschen mit geringem Einkommen sollten aufgrund der aktuellen Teuerungen bei Lebensmitteln, Heizung usw. besser unterstützt werden.
  • Um die Existenz von arbeitslosen Menschen besser abzusichern, sollte das Arbeitslosengeld dauerhaft von derzeit 55% auf 70% des Nettoeinkommens erhöht werden.
  • Um über die Runden zu kommen, sollten arbeitslose Menschen weiterhin geringfügige Nebenjobs an-nehmen dürfen.
  • Statt durch strengere Vorschriften den Druck auf arbeitslose Menschen zu erhöhen, sollten Unternehmen bessere Arbeitsbedingungen schaffen.
  • Um Arbeitslosigkeit dauerhaft zu bekämpfen, braucht es eine Garantie auf einen fairen Arbeitsplatz für al-le Menschen.
     

Hinweise zur Studie

Für den Volkshilfe Sozialbarometer führt SORA mehrmals jährlich eine repräsentative Befragung zu aktuellen sozialpolitischen Themen durch.
Die vorliegende Studie zum Thema „Arbeit & Einkommen“ beruht auf 1.031 face-to-face Interviews österreichweit mit Personen ab 15 Jahren (Feldzeit von 4.3. bis 30.3.2022).

Die Daten wurden gewichtet nach Alter, Geschlecht, Region, Wohnortgröße, Bildung, Personen im Haushalt, Beruf und Berufstätigkeit. Somit entstehen aus diesen Daten repräsentative Aussagen über die österreichische Bevölkerung.
Die maximale Schwankungsbreite für die dargestellten Ergebnisse liegt bei +/- 3,1%. Alle Ergebnisse der Umfrage auf: www.volkshilfe.at