Staatsbürgerschaft für Erika Freeman
Im Wiener Rathaus hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag die Staatsbürgerschaftsurkunde an Erika Freeman verliehen. Freeman war im Alter von zwölf Jahren vor dem Nationalsozialismus in die USA geflüchtet. Die prominente Psychoanalytikerin entstammt einer Familie aus Galizien. Nach ihrer Flucht machte sie in den USA Karriere, zuletzt hat sie sich aber auch ihrer alten Heimat Österreich wieder angenähert. Die Verleihung erfolgte an ihrem 95. Geburtstag.
Freeman wurde am 1. Juli 1927 in Wien als Erika Polesciuk geboren. Ihr Vater - ein Sozialdemokrat - wurde durch schwedische Diplomaten aus dem KZ Theresienstadt gerettet. Seine Tochter hat ihn 1946 zufällig in New York getroffen. Ihre Mutter überlebte die NS-Zeit in Wien als U-Boot, starb aber am 12. März 1945 bei der Bombardierung des Philipphofs in den letzten Kriegswochen. Als Mädchen hatte sich diese als Mann verkleidet, um Hebräisch zu lernen. Sie galt als Vorbild für die Verfilmung von Isaac Beshevis Singers Kurzgeschichte "Yentl" mit Barbra Streisand in der Hauptrolle.
Erika Polesciuk, die ihren Namen in den USA zunächst auf Padan änderte, heiratete den Maler Paul Freeman und studierte Psychologie an der Columbia University, wo der aus Wien geflohene Psychoanalytiker und Freudschüler Theodor Reik einer ihrer Lehrer war. Später war sie Beraterin der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir, auch Stars wie Marilyn Monroe oder Marlon Brando wurden von ihr unterstützt. Für das österreichische Erinnerungsprojekt "A Letter To The Stars" kam Erika Freeman seit 2007 wiederholt nach Österreich. Zuletzt war sie am 8. Mai Festrednerin beim Fest der Freude am Heldenplatz.
Die Zeitzeugin erhielt ihre Staatsbürgerschaft im Rahmen des Festaktes im Rathaus zurück - was möglich wurde, weil seit 2019 Überlebende und Nachkommen von Opfern des NS-Regimes angeboten wird, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten ohne dafür ihre bisherig aufgeben zu müssen. Mit der Durchführung wurde Wien betraut. In der Magistratsabteilung 35 wurde dazu ein eigenes Referat "Staatsbürgerschaftsnachweis von Opfern des Nationalsozialismus" eingerichtet.
Laut Rathaus-Angaben arbeitet dort ein derzeit 70-köpfiges Team an der Umsetzung. Bei der Recherche und Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft vorliegen, arbeitet die MA 35 mit dem Bund, dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und der Israelitischen Kultusgemeinde Wien zusammen.
Durch eine kürzlich erfolgte Gesetzesänderung wurde der Kreis der anspruchsberechtigten Personen noch einmal erweitert. Es ist seither auch für Menschen, deren Vorfahren durch das NS-Regime ums Leben kamen oder ins Ausland deportiert wurden, möglich, einen Antrag zu stellen.
Insgesamt sind bisher 23.620 Anträge in der Magistratsabteilung 35 eingelangt. Davon waren unter anderem 10.787 aus Israel, 4.755 aus den USA und 3.721 aus Großbritannien. Laut Rathaus wurden bisher 14.903 Verfahren positiv abgeschlossen. 10.331 Personen haben bereits die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. (APA)