REBECCA feiert Premiere
Es ist und bleibt ein ungewöhnlicher Vertreter des Genres Musical: Fast auf den Tag genau 16 Jahre nach der Uraufführung feierte "Rebecca", die Adaption des gleichnamigen Kriminalromans von Daphne du Maurier, vergangene Woche erneut Premiere in Wien. Im Raimund Theater ist dabei eine aufgefrischte Version der Originalregie zu sehen. Herausgekommen ist ein Musicalabend für jene, die nicht zum harten Kern von Musicalfans zählen - ein Theaterstück mit filmischer Schlagzahl.
Als sich das Erfolgsduo Michael Kunze und Sylvester Levay nach seinem Megaerfolg "Elisabeth" und nach "Mozart!" 2006 dem dank Hitchcock-Verfilmung sattsam bekannten Klassiker zuwandte, war die Überraschung durchaus groß. Ein Krimi als Musical? Mit Unterbrechung immerhin bis 2008 war das Werk in Wien zu sehen, das zwar kein Flop wurde, aber dennoch nicht an den Erfolg einer "Elisabeth" anschließen konnte. Dann jedoch setzte der britische Kriminalfall zum weltweiten Erfolgslauf an, wurde das Stück doch seither immerhin von zwei Millionen Besuchern in zwölf Ländern gesehen.
Nun dominiert das markante Logo mit dem brennenden R vor wässrigem Hintergrund wieder das Wiener Musicalleben - und das in atemberaubendem Tempo. Uraufführungsregisseurin Francesca Zambello setzt auf Szenenwechsel in filmischer Schnittfrequenz. Da fliegen die Wände des Landsitzes Manderley flugs in den Schnürboden, versinken Fischerhäuser im nebligen Hintergrund oder dreht sich ein Innenraum im Handumdrehen zur Außenfassade.
Diese cineastische Attitüde der Inszenierung ohne großen Musicalkitsch spiegelt sich auch in der zurückhaltenden Partitur, die über Strecken beinahe kammermusikalisch daherkommt, ungeachtet bekannter Hits wie "Hilf mir durch die Nacht", "Rebecca" oder "Ich hab' geträumt von Manderlay". Monumentale Ensemblenummern sind hier reduziert und erinnern in ihrer Ausgestaltung mittlerweile untrüglich an den Serienhit "Downton Abbey". Stattdessen verlässt man sich abseits des spektakulären Szenenbildwechsel auf die Darsteller. Und da hat man in Wien einiges im Talon.
Bei ihrem Wiendebüt weiß die junge Niederländerin Nienke Latten als zweite Ehefrau des reichen Witwers Maxim de Winter erst als naives Mädchen zu überzeugen, bevor sie im Verlauf den Wechsel zur starken Gattin bewerkstelligt, die aus dem Schatten der titelgebenden, toten Vorgängerin tritt. Als Gegenspielerin in der ikonischen Partie der diabolischen Mrs. Danvers, die der verstorbenen Rebecca in unverbrüchlicher Treue nachtrauert, steht ihr Landsfrau Willemijn Verkaik gegenüber, die heuer bei der Oscargala den "Frozen"-Song mitperformte und nun eine eiskalte Haushälterin gibt, die mit starker, nicht überbordender Stimme für sich einnimmt.
Den beiden Damen gegenüber steht der deutsche Genrestar Mark Seibert, der bei seiner sechsten Show im Raimund Theater die schwierige Rolle des verstockten Witwers Maxim de Winter angenommen hat. Er absolviert die Partie so souverän, wie sich dies bei dem nicht allzu facettenreichen Charakter gestalten lässt. Etwas einfacher hat es da der Wiener Publikumsliebling Ana Milva Gomes als schrille Mrs. Van Hopper. Die Vorlage der durchgeknallten Amerikanerin wird von der Wahlwienerin mit Schwung aufgegriffen.
Am Ende ist und bleibt "Rebecca" kein Eventmusical, keine Klischeeschleuder des Genres, gestrickt nach Schema F. Stattdessen präsentiert sich im Raimund Theater nun wieder ein Theaterabend mit filmischer Attitüde, der auf Charakterzeichnung und Krimihandlung setzt. Und auf die Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau, die aus dem Schatten der Vergangenheit tritt. (APA)