Stadtrechnungshof lobt Wiener Teststrategie
Der erste Bericht des Wiener Stadtrechnungshofes zur Bekämpfung der Coronapandemie in der Bundeshauptstadt liegt vor. Analysiert werden darin Themen wie die Organisation des Krisenstabs, das Gesundheitstelefon 1450, die Teststrategie, das Contact Tracing, die Bescheiderstellung oder die Einrichtung von Notunterkünften. Geprüft wurde der Zeitraum von März 2020 bis zum Frühjahr 2021. Empfohlen wird vor allem, aus dieser Phase eine Lehre für künftige Pandemien zu ziehen.
"Eine umfassende Beurteilung aller Maßnahmen, welche die Stadt Wien zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie in die Wege geleitet hat, war nicht Ziel dieser Prüfung", heißt es gleich zu Beginn des fast 300 Seiten umfassenden Berichts. Der Stadt-RH hob hervor, dass für die Bewältigung der "globalen Gesundheitskrise" auf keinerlei Erfahrungen zurückgegriffen werden konnte. Somit wolle man Feststellungen und Empfehlungen im Sinn von "Lessons Learned" aussprechen.
Verwiesen wurde in dem Bericht etwa auf den rechtlichen Rahmen der Maßnahmen - also vor allem das Covid-19-Maßnahmengesetz - sowie die prinzipielle Zuständigkeit des Bundes. In Wien wurde für die Organisation des Vorgehens am 27. Jänner 2020 ein wichtiger Schritt gesetzt: Bei der Magistratsabteilung 15 (Gesundheitsdienst) wurde der "Medizinische Krisenstab betreffend Covid-19-Pandemie" eingerichtet.
Als zumindest problematisch wurde erkannt, dass an der Spitze des Krisenstabs die stellvertretende Leiterin der MA 15 tätig war. Aufgrund einer Erkrankung der Abteilungsleiterin musste sie diese vorübergehend dann auch vertreten. In dieser Zeit übte die Krisenstab-Chefin zudem die Funktion einer Landessanitätsdirektorin aus. Im Mai 2020 übernahm sie dann eine gänzlich neu eingerichtete Funktion, sie wurde "Projektleiterin" für Covid-19. Diese Fülle an Aufgaben war laut Stadt-RH als "kritisch" zu betrachten. Die "bestmögliche" Erfüllung aller Tätigkeiten seien vermutlich erschwert worden, heißt es.
Die Rolle des in der Bundeshauptstadt vom Fonds Soziales Wien organisierten Gesundheitstelefons 1450 wurde ebenfalls erörtert. Das Gesundheitsministerium habe dieses als Erstkontaktstelle für Verdachtsfälle etabliert - über seine ursprüngliche Aufgabenstellung hinaus, wie die Prüfer betonen. Die Zuständigkeit wurde überdies wiederholt ausgedehnt. So konnten bald auch Test-Termine über 1450 vereinbart werden. "Umfangreiche organisatorische, infrastrukturelle, personelle sowie technische Maßnahmen" seien bei der Gesundheitsberatung dadurch nötig geworden.
Die Anzahl der Anrufe schnellte rasch nach oben. Im September 2020 wurden fast 200.000 Gespräche geführt. Personalaufstockungen im externen Call-Center gab es wiederholt. In Summe waren im Jahr 2020 laut Bericht gleichzeitig bis zu 538 Personen bei der telefonischen Gesundheitsberatung tätig. Trotzdem war oft viel Geduld gefragt. "Ungeachtet der dargestellten Bemühungen kam es im Verlauf der Pandemie punktuell zu Überlastungen der Gesundheitsberatung 1450 Wien, die zu Wartezeiten für die Anrufenden führten", konstatierten die Prüfer.
Die Teststrategie samt Teststraßen, Hausbesuchen und den im Prüfzeitraum vorgenommen ersten Schritten zu einer Untersuchungsmöglichkeit via Gurgellösung wurde gelobt. Das System in Wien stelle einen "essenziellen Bestandteil" der Pandemiebekämpfung dar, hieß es: "Mit den gesetzten Maßnahmen des Medizinischen Krisenstabes des Landes Wien konnte das gesetzte Ziel, ein möglichst breites und niederschwelliges Angebot von Testmöglichkeiten für die Wiener Bevölkerung zu schaffen, erreicht werden. Damit wurde die rasche Erfassung von infizierten Personen ermöglicht und stellte die Grundlage für die Unterbrechung von Infektionsketten und zum Schutz des Wiener Gesundheitssystems vor Überlastung dar."
Ungeachtet dessen empfahl der Stadtrechnungshof der Stadt, die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen - und vorbereitende Maßnahmen zu setzen. Näher ansehen soll man sich laut Stadt-RH Bereiche wie Beschaffung, Lagerhaltung, Kompetenzen, Zuständigkeiten, Koordinierung, Dokumentation und Kontrolle.
Auch provisorische Unterbringungs-Einrichtungen wie das "Großlazarett Messe Wien" wurden unter die Lupe genommen. Dort wurden im Zeitraum März bis Juni 2020 insgesamt 305 Personen betreut. Beim weitaus größten Teil handelte es sich um Verdachtsfälle. 58 der im Not-Spital betreuten Personen waren nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. Die Kosten für die Maßnahme wurden mit 13,7 Mio. Euro beziffert.
"Vor dem Hintergrund prognostizierter Entwicklungen des Pandemiegeschehens war die Entscheidung zur Einrichtung eines Großlazaretts in der Messe Wien als zweckmäßig anzusehen. Es zeigte sich allerdings bereits nach kurzer Zeit, dass die tatsächlichen Fallzahlen von an COVID-19-Erkrankten infolge der Pandemie deutlich unter den erwarteten Fallzahlen blieben", wird ausgeführt. Angeraten wurde, künftige Szenarien durchzuplanen und entsprechende Konzepte für derartige "Barackenspitäler" zu erstellen.
Eingerichtet wurden auch andere Unterkünfte bzw. Betreuungszentren. Die Vergabe des Betriebes an den Arbeiter Samariterbund (ASB) sorgte beim Stadt-RH für wenig Begeisterung. Ein Aussetzen einer Ausschreibung sei prinzipiell in solchen Situationen möglich, wurde festgehalten, es sei allerdings nirgends dokumentiert worden, warum man nicht auch andere Anbieter gefragt habe.
Die mehrmalige Verlängerung des Betriebsvertrages sorgte schließlich für offene Kritik an der direkten Vergabe: "Bei der ersten Verlängerung im Juni 2020 lagen bereits geänderte Rahmenbedingungen hinsichtlich des künftig erforderlichen Bedarfes an Leistungen vor. In den folgenden Sommermonaten waren kaum Plätze in den Covid-19-Betreuungseinrichtungen nachgefragt. Eine zwingende Dringlichkeit, die eine Einhaltung der allgemeinen oder verkürzten Fristen nicht zuließ, war daher nach Ansicht des Stadtrechnungshofes Wien nicht mehr gegeben."
Im Rathaus selbst versicherte man am Montag, dass man bereits zahlreiche Schlüsse aus den Lehren der Pandemie gezogen haben. So würden die Bescheiderstellung nach einem positiven PCR-Test als auch das Contact Tracing inzwischen digital erfolgen, betonte das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Die FPÖ beklagte hingegen die dokumentierte "Freunderlwirtschaft". Die MA 15 habe bei der Vergabe an den ASB "komplett versagt", es gebe weder Sitzungs- noch Entscheidungsprotokolle, bemängelten die Freiheitlichen. (APA/Red)