Nach Sanierung: Parlament zurück am Ring
Das Parlament ist am Donnerstag nun auch offiziell an seinen Stammsitz an der Wiener Ringstraße zurückgekehrt. Mit einem Festakt wurde die erfolgreiche Sanierung gefeiert, die alles in allem gut fünf Jahre in Anspruch genommen hatte. Auch wenn der Rahmen würdig war, gab es vor den Augen von Bundespräsident und Bundesregierung doch einige Sticheleien. Die Rede von Festgast Wolfgang Schäuble (CDU) wusste zu polarisieren.
Alles, was in Österreich Rang und Namen hat, war Donnerstagnachmittag in den Theophil Hansen-Bau geeilt, um das gründlich sanierte Parlament zu bestaunen. Die Bundesregierung kam geschlossen, Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde von seinem Vorgänger Heinz Fischer quasi begleitet. Die Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ), Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Brigitte Bierlein ließen sich den Festakt, bei dem die Philharmoniker und die Sängerknaben für den künstlerischen Rahmen sollten, ebenso nicht entgehen wie einige Landeshauptleute und etliche andere Würdenträger.
Als Festredner hatte das Parlament Wolfgang Schäuble eingeladen, der im Herbst seiner politischen Karriere an der Spitze des deutschen Bundestags gesessen war. Er konstatierte, dass die vielleicht gefährlichste Krise in einer Zeit multipler Krisen jene der rechtsstaatlichen Demokratie selbst sei. Die Bürger entzögen ihren politischen Vertretern, aber auch ihren Mitbürgern das Vertrauen, wählten populistische Vereinfacher in Regierungen und Parlamente oder wendeten sich ganz ab: "Das rührt am Kern unserer Demokratie."
Ziel müsse sein, dass die Bürger sich besser vertreten und im demokratischen Prozess wieder fänden. Dabei sollten freilich nicht nur Lösungen präsentiert werden, die gut klängen. Den Streit solle man in der Mitte der Gesellschaft suchen und öffentlich im Parlament austragen - um zu zeigen, dass um der Sache Willen miteinander gerungen wurde.
So weit hätten wohl alle Gäste Schäubles Aussagen unterstreichen können. Doch als er indirekt Vorbehalte gegen das Gendersternchen äußerte, betonte, dass nicht jeder ein inhumaner Fremdenfeind sei, der sich wegen der Aufnahme von Flüchtlingen sorge und meinte, dass nicht jeder Verschwörungstheoretiker sei, der Pandemie-Maßnahmen hinterfrage, wurde der Beifall dann mehrheitlich nur noch von der FPÖ und Teilen der ÖVP getragen. Latent wissenschaftskritische Passagen in der Rede wurden von SP-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner später sogar explizit zurückgewiesen.
Die Fraktionschefs hatten einen vergleichsweise kurzen gemeinsamen Auftritt, bei dem sie über die Art der Debatten im Nationalrat philosophieren durften. Mehr oder weniger Konsens dabei war, dass man durchaus auch einmal emotional könne, wenn die Wertschätzung bestehen bleibe: "Ich glaube nicht, dass Demokratie von Harmonie lebt sondern von Debatte", befand etwa NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Gestichelt wurde auch ein wenig, etwa als Rendi-Wagner mehr Respekt der Regierung für das Parlament einforderte oder Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer mehr Pakttreue bei gemeinsamen Beschlüssen in der Präsidiale einforderte. Maurer äußerte dann auch noch die Erwartung, dass als Teil der Öffnung der Politik gegenüber der Bevölkerung noch im heurigen Jahr das Informationsfreiheitsgesetz mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses beschlossen werden kann.
Für ein besseres Miteinander zu werben, war die Rolle des Nationalratspräsidiums: "Lassen wir uns leiten von der Würde dieses Hauses", bat Hausherr Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu Beginn seiner Festrede: "Wenn wir genau hinhören, teilt uns dieses Haus vielleicht seinen Wunsch an uns alle mit. Nämlich, dass unser Denken, Reden und Handeln von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt sein soll."
In dieselbe Kerbe schlugen auch die beiden anderen Mitglieder des Präsidiums. Die Zweite Präsidentin Doris Bures (SPÖ) meinte: "Machen wir uns die Mühe Widerspruch auszuhalten." Weniger Rechthaberei, mehr Neugier, gehörte zu ihren Anregungen. Der Dritte Präsident Norbert Hofer (FPÖ) meinte, das Parlament sei von Natur aus ein Ort der unterschiedlichen Meinungen: "Aber am Ende hat das Gesamtwohl im Vordergrund zu stehen und das Gesamtwohl der Demokratie entspringt der lebhaften Diskussion."
Saniert wurden in den vergangenen gut fünf Jahren rund 55.000 Quadratmeter Netto-Geschoßfläche. Die Nutzfläche wurde um rund 10.000 Quadratmeter erweitert. Die wesentlichste architektonische Neuerung ist die neue Glaskuppel über dem Nationalratssaal mit einem Durchmesser von 28 Metern und einer Fläche von 550 Quadratmetern.
Der Plenarsaal wird vom Nationalrat freilich erst am 31. Jänner eingeweiht. Der Festakt fand nämlich im Bundesversammlungssaal statt, wo in zwei Wochen auch die Wiederangelobung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Szene gehen wird. Die Länderkammer trifft sich dann am 16. Februar im neuen Bundesratssaal, der heute offiziell eröffnet wurde.
Für Interessierte wird es schon davor die Gelegenheit geben, sich im neuen Parlament umzusehen. Am kommenden Wochenende sind zwei "Tage der offenen Tür" angesetzt. (APA)