Unesco-Entscheidung über Wien steht bevor
Die 45. Sitzung der UN-Kulturorganisation UNESCO ist am Sonntagabend in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad eröffnet worden. Bis zum 25. September will die Organisation weiteren Kultur- und Naturstätten den Welterbestatus verleihen und muss aus mehr als 50 Bewerbungen auswählen. Aus österreichischer Sicht wird es insofern spannend, als in Riad auch darüber entschieden wird, ob das "Historische Zentrum von Wien" weiter auf der "Roten Liste" der gefährdeten Welterbestätten bleibt.
Laut einem Sprecher der österreichischen UNESCO-Kommission ist die Abstimmung für Dienstag oder Mittwoch vorgesehen, wenn über alle Stätten, die sich auf der Roten Liste befinden, diskutiert und entschieden wird. Aufgrund der prallen Tagesordnung könne es aber auch zu Verzögerungen kommen, hieß es auf APA-Anfrage am Montag. Zu rechnen ist mit einer Beibehaltung des Status quo, also mit einem Verbleib Wiens auf der Gefährdungsliste. Dies sieht nämlich die sogenannte "Draft Decision" vor, die schon im Vorfeld der Tagung als Entscheidungsentwurf formuliert und veröffentlicht wurde. Derzeit ist zur Causa Wien keine eigene Diskussion, sondern nur der Beschluss der Draft Decision vorgesehen. Das kann sich laut Sprecher aber noch ändern.
Dass die City seit 2017 auf der "Liste des gefährdeten Welterbes" steht, hat mit dem geplanten Hochhausbau der Firma Wertinvest am Heumarkt zu tun. Seither wurde das Projekt immer wieder abgeändert. Erst Ende Juni wurden abermals adaptierte Pläne veröffentlicht, die eine 56,5 Meter hohe "Wohnscheibe", einen Neubau des Hotel Intercontinental mit 47,85 Meter Höhe sowie eine frei zugängliche Stadtterrasse, ein Konferenzzentrum und eine zentrale Freifläche vorsehen.. Im vom UNESCO-Welterbezentrum und den internationalen Expertengremien ICOMOS, IUCN und ICCROM erarbeiteten Entscheidungsentwurf werden die Fortschritte seitens der Stadt, etwa hinsichtlich der rechtlichen Verankerung des Welterbes sowie des Managementplans, ausdrücklich begrüßt. Hinsichtlich des Heumarkt-Projekts wird aber darauf verwiesen, dass eine "Planung ohne negative Auswirkung auf den Outstanding Universal Value (OUV) der Welterbestätte" notwendig sei.
Die 45. Sitzung des Welterbekomitees sollte eigentlich im Juni 2022 in Russland stattfinden. Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wurde sie jedoch verschoben und wird nun in Riad nachgeholt. Zu den bisher 1.157 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern zählen das Great Barrier Reef in Australien, der Nationalpark Serengeti in Tansania, die Inka-Stadt Machu Picchu in Peru sowie die Pyramiden von Gizeh in Ägypten.
Deutschland, wo es bisher 51 Welterbestätten gibt, darf - anders als Österreich - heuer auf einen Neuzugang hoffen. So hat sich Thüringens Landeshauptstadt Erfurt für ihr jüdisch-mittelalterliches Erbe um eine Auszeichnung beworben. "Durch die Anerkennung der UNESCO würde Erfurt Teil unseres gemeinsamen Menschheitserbes. Das führt uns noch einmal eindrücklich vor Augen, dass jüdisches Leben seit weit über 1.000 Jahren zu Deutschland gehört und auch in Zukunft gehören wird", sagte Maria Böhmer, Präsidentin der deutschen UNESCO-Kommission.
Die gefährdeten Stätten werden nicht nur - wie im Falle Wiens - durch Bauprojekte bedroht, sondern auch durch den Klimawandel, Kriege und Naturkatastrophen. "Besondere Sorge bereitet mir die Situation in der Ukraine, wo Russland seine Angriffe auf die Menschen, das kulturelle Erbe und damit die Identität des Landes bis heute unerbittlich fortsetzt", sagte Böhmer. "In Odessa, wo im Juli russische Bomben in das Welterbe der Stadt einschlugen, in Kiew, in Lwiw und an so vielen anderen Orten. Ich hoffe, dass von der Sitzung ein unmissverständliches Signal ausgeht. Die Weltgemeinschaft kann nicht länger zusehen, wie Russland die Welterbekonvention mit Füßen tritt." (apa/red)