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Wiener Forscher wollen Spritzen durch Tabletten ersetzen Wiener Forscher wollen Spritzen durch Tabletten ersetzen
Wissenschaft

Wiener Forscher wollen Spritzen durch Tabletten ersetzen

Neue Technologie nutzt Hüllstoffe von Schwefelquellen-Mikroben um Wirkstoffe durch den Magen in den Darm zu bringen.
Michael Fahrner-Glatz
Freitag, 25. Februar 2022
Verfasst am 25.02.2022 von Michael Fahrner-Glatz

Eine Spritze in den Arm ist nicht jedermanns Sache, Wiener Forscher wollen sie deshalb durch spezielle Tabletten ersetzen. "Hüllbestandteile von Mikroben, die im Yellowstone Nationalpark entdeckt wurden, bringen bei unserer Technologie die Wirkstoffe sicher durch den Magen und entlassen sie im Darm", erklärte der Biotechnologe David Wurm im Gespräch mit der APA. Mit zwei Kollegen gründete er das Start-up "NovoArc GmbH", um die neuartigen Pillen auf den Markt zu bringen.

Jene Mikroben (Sulfolobus acidocaldarius) wachsen in der Natur in heißen, schwefelhaltigen Quellen und stellen sehr spezielle Ansprüche, so Wurm: Nämlich Temperaturen zwischen 75 und 80 Grad Celsius und extrem saure Bedingungen (pH-Werte zwischen zwei und drei). Oliver Spadiut, David Wurm und Julian Quehenberger arbeiteten am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien mehrere Jahre daran, ihnen Laborbedingungen zu bieten, bei denen sie wachsen und gedeihen.

"Wir haben einen neuartigen Bioprozess geschaffen, mit dem wir diese Archaeen unter kontrollierten Bedingungen kultivieren können", erklärte Quehenberger: "Dabei steuern wir Parameter wie die Temperatur und den pH-Wert, und füttern gewisse Nährmedien dazu, sodass sie schnell wachsen." Dadurch könne man "industriell relevante Mengen an Produkt in pharmazeutischer Qualität" gewinnen.

Die Forscher sind vor allem an den Fettstoff-Bestandteilen (Lipide) der Mikroben-Hülle interessiert. Sie extrahieren die Lipide aus der Zellmembran und machen daraus eine Schutzhülle für Wirkstoffe. In solchen "Liposomen" könne man etwa mRNA für Impfstoffe, Antibiotika oder Schmerzmittel verpacken, berichtete Quehenberger. Diese Substanzen sind darin vor der Magensäure geschützt, die vergleichbar aggressiv ist, wie auch die natürliche Umgebung von Sulfolobus acidocaldarius.

Nachdem sie den Magen passiert haben, haften die Liposomen im Darm an den Schleimhäuten an und geben die Wirkstoffe langsam ab. Dadurch werden sie besser aufgenommen als bei herkömmlichen Pillen, deren Inhaltsstoffe oft großteils durch den Darm durchrauschen und ausgeschieden werden, erklärte Spadiut: "Durch die hohe Stabilität der schützenden Liposome wird auch die Lagerstabilität der Wirkstoffe erhöht." Sie benötigen deshalb keine durchgehenden Kühlketten, die sehr viel Geld kosten. Das würde auch in abgelegenen Gebieten eine gute medizinische Versorgung vereinfachen, meint er. (apa/red)