Frauen und Naturerlebnisse im Fokus
Mehr als 140 Ausstellungen und 300 Veranstaltungen mit über 500 Künstlern, Kuratoren und Experten: Die Foto Wien zeigt in den kommenden Tagen und Wochen die Fotografie in all ihren Facetten. Das vom Kunst Haus Wien organisierte und heute startende Festival rückt bis 27. März insbesondere Fotografinnen sowie das Verhältnis von Mensch und Natur in den Mittelpunkt. "All das ist möglich, weil Wien ein wirklicher Standort für Fotografie ist", so Kuratorin Verena Kaspar-Eisert.
Sie präsentierte am Mittwoch gemeinsam mit MQ-Geschäftsführerin Bettina Leidl, bis vor kurzem noch Kunst Haus Wien-Direktorin, in der diesjährigen Festivalzentrale im Atelier Augarten die Eckpunkte des Ausstellungsreigens. "Es ist durch das Festival möglich, ganz konzentriert einzutauchen in das Thema Fotografie und unterschiedliche Strömungen zu zeigen", betonte Leidl. Coronabedingt musste die Ausgabe im Vorjahr auf 2022 verschoben werden, einige Projekte wurden mitgenommen, etliche neue kamen hinzu.
Beiden Schwerpunkten begegnet man naturgemäß in der Festivalzentrale: Gut ein Dutzend Positionen sind es, die bei "Rethinking Nature/Rethinking Landscape" die Bedeutung der Fotografie bei der Wahrnehmung von Natur und Landschaft hervorstreichen. Sissa Micheli zeigt in "Mountain Pieces. Reflecting History" nicht nur die Schönheit der Südtiroler Bergwelt, sondern bringt eine historische Komponente in ihre Großformate, spielt doch die Erinnerung an die hier stattgefundenen kriegerischen Handlungen im Ersten Weltkrieg eine wesentliche Rolle.
Nicht nur sehen, sondern auch hören kann man wiederum Tamás Dezsös "Hypothesis: Everything is Leaf": Der ungarische Fotograf hat nämlich auf etliche Metronome konservierte Blätter platziert, die in beharrlicher Manier hin und her wippen. Ihnen gegenüber findet sich eine Serie mit einer Büste Wittgensteins, die sich zuerst sukzessive aus dem weißen Steinblock schält, um am Ende ins Nichts zu vergehen - der Kreislauf des Lebens eben. Oder aber sein Triptychon zu einer englischen Hecke, die eher wie amorphes, sich im Schlaf befindliches Wesen anmutet.
Wenige Schritte weiter stehen im Museum Ambrosi "Fotografinnen im Fokus": Hier werden zehn in Österreich wenig bekannte Künstlerinnen vorgestellt, wie Kaspar-Eisert sagte. Ihnen gemein sei trotz aller Unterschiedlichkeit "eine hohe Relevanz in politischen und gesellschaftspolitischen Themen". Pixy Liao, die mit "Red Nails" auch das diesjährige Festivalsujet liefert, hinterfragt etwa gängige Geschlechterrollen, wenn sie sich mit ihrem Ehemann Moro in beinahe theatral wirkenden Situationen als dominante Figur inszeniert. Nakeya Brown ist wiederum mit neun Tableaus vertreten, die Nostalgie, Haarpflege und schwarze, weibliche Identität zusammenführen.
Und das sind nur zwei der vielen Angebote in der Festivalzentrale, wo neben weiteren Präsentationen auch tägliche Bildbesprechungen, verschiedene Talks und das Symposium "Wie hältst du's mit dem Material? Vom Umgang mit Fotografien" (18. und 19. März) stattfinden werden. Das gesamte Ausmaß der Foto Wien wird aber erst beim Blick auf die im Programmheft enthaltene Stadtkarte ersichtlich: Institutionen wie das Architekturzentrum Wien und das mumok, Galerien von Charim bis Wolfrum und unzählige Ausstellungsräume, Ateliers, Studios und Open-Air-Angebote sind zu erkunden.
"Shoot & Think" heißt es etwa bei Studierenden der Freien Universität Bozen, die im Freiraum des MQ Aufstellung bezogen haben: "Ein Bild hört nicht am Rand eines Blatts Papier auf", verwies Künstlerin Eva Leitolf auf die Frage, in welchem Kontext und wie Fotos verwendet werden. Für ihre Studierende sei es "eine umgemein heraufordernde, aber auch fruchtbare Situation", auf der Foto Wien mit einem so großen Raum, aber auch dem Publikum konfrontiert zu werden.
Wie sich Bewegung und Stillstand auf Natur, aber auch die Gesellschaft auswirken, versucht die Schau "Stop-Non-Stop" im Ausstellungsraum auf der Gumpendorferstraße zu erörtern, während der Fotograf Martin Vukovits seine Porträts von Gert Voss im Kunstbogen am Gürtel zeigt. Entstanden ist diese "Hommage an einen Ausnahmekünstler" über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Höchst aktuell ist natürlich Anna Jermolaewas "Chernobyl Safari", die im MAK zu einer Begegnung mit der kürzlich von russischen Truppen eroberten Sperrzone rund um das ehemalige AKW in der Ukraine lädt.
Damit ist man beim dominierenden Thema dieser Tage angelangt, das auch bei der Foto Wien eine Rolle spielt: Mit einer kurzfristig aufgelegten Sonderedition von zehn Bildern soll nämlich Geld für die Opfer des Kriegs in der Ukraine gesammelt werden, der Reinerlös wird der Volkshilfe gespendet, erklärte Kaspar-Eisert. Was wiederum die Zukunft des Festivals selbst betrifft, zeigte sich Leidl optimistisch. Die kommende Ausgabe (8.-26. März 2023) sei gesichert, und auch danach werde es aus ihrer Sicht eine Foto Wien geben: "Das Festival ist nicht mehr wegzudenken." (APA/Red)