Stadt- und Staatsspitze beim Israel-Gedenken
Unter stark erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ist am Mittwochabend am Ballhausplatz in Wien vor dem Kanzleramt der israelischen Opfer des Hamas-Terrors gedacht worden. Mehrere Politiker nahmen teil - so Bundeskanzler Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) oder Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Der erkrankte Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ eine Botschaft verlesen. Zu dem Gedenken hatte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) aufgerufen.
Die Veranstaltung, zu der sich laut dem Veranstalter IKG rund 2.000 Personen einfanden, wurde mit einem Gebet von Oberrabbiner Jaron Engelmayer eröffnet. Dann schilderte IKG-Präsident Oskar Deutsch einige der zahlreichen Schicksale von Menschen, die den Angriffen zum Opfer fielen. "Die Bestialität ist grenzenlos", sagte Deutsch. Man habe sich bewusst entschieden bei der Veranstaltung keine Bilder oder Videos von den Ereignissen zu zeigen. "Wir dürfen und werden das nie vergessen", führte Deutsch aus.
Der IKG-Präsident verwies auf den Fall eines Österreichers, der ebenfalls bei den Angriffen getötet worden war. Denn gerade österreichische Jüdinnen und Juden hätten eine besondere Beziehung zu Israel, so Deutsch. Israel sei die spirituelle Heimat des Judentums. "Wir sind Österreicher und tragen Israel im Herzen." Nun müsse dafür gesorgt werden, dass ein Massaker wie am Samstag nie wieder geschehe.
Deutsch bedanke sich bei allen Sicherheitskräften für das Ermöglichen der Veranstaltung, kritisierte jedoch auch, dass Jüdinnen und Juden weltweit weiterhin vor Angriffen geschützt werden müssten. "Wie lange noch?", fragte er.
Die israelitische Kultusgemeinde (IKG) hatte im Vorfeld ersucht, auf dem Weg zum Ballhausplatz bzw. beim Verlassen der Veranstaltung mitgeführte Israelfahnen, Transparente etc. verdeckt zu führen und den Bereich rund um den Stephansplatz zu meiden. Dort war ursprünglich eine propalästinensische Demo geplant, die jedoch am Mittwoch untersagt wurde. Dennoch kam es dort am Abend zu hitzigen Szenen, als ein paar hundert Demonstranten einem Polizeiaufgebot gegenüberstand.
Auch in Wien gebe es Unterstützer der Hamas, die deren Entführungen und Morde gutheißen würden, warnte Deutsch. "Sie haben aber auch Verbündete, die nicht so offen den Terror der Hamas bejubeln. Vereinzelte Hamas-Apologeten in Medien und Wissenschaft, die täglich eine mediale Bühne für ihre Relativierungen erhalten." Dabei gebe es - egal ob in Gaza oder Israel - nur einen klaren Verantwortlichen für Tote: "Die Hamas"."
Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich am Mittwoch in einer von der Schauspielerin Mercedes Echerer vorgetragenen Botschaft solidarisch mit Israel. Er erklärte zudem: "Kein politisches Anliegen rechtfertigt solche Verbrechen." Bei den Gräueltaten durch Hamas-Terroristen handle es sich um "reinen Hass".
"Wir dürfen nicht schweigen, wenn erneut Juden zum Opfer fallen. Die ganze Welt, jede Institution und jeder Staat, muss Einfluss nehmen, um die Gewalt zu beenden. Alle Geiseln sind sofort freizulassen - Menschen dürfen nicht als Faustpfand missbraucht werden", betonte das Staatsoberhaupt, das den Veranstaltern zufolge krankheitsbedingt nicht selbst teilnehmen konnte.
"Ein Pogrom von unfassbarem Ausmaß entfaltet sich vor unseren Augen", ließ der Bundespräsident verlauten. "Die Terroristen filmen diese Gräueltaten und stellen sie triumphierend ins Netz."
Israel sei für viele Juden "nicht nur ein Land" "Es ist mehr als das - nach dem Holocaust ein Zufluchtsort. Ein Garant dafür, dass Juden nie wieder verfolgt werden." "Niemals wieder" gelte weiterhin, auch angesichts dieser Tragödien. Viele Juden in Österreich würden trauern oder um Verwandte und Freunde in Israel bangen, hielt Van der Bellen fest. "Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt Ihnen."
Im weiteren Verlauf trat auch ein Vertreter der Jüdischen Hochschülerschaft auf. "Es braucht einen Schutz der jüdischen Diaspora", forderte dieser. Dies bedeute neben einem Schutz vor antisemitischen Angriffen jedoch auch einen Schutz vor Rechtsextremismus, hieß es.
"Mit Udo Landbauer (FPÖ) regiert ein schlagender Burschenschafter, dessen Burschenschaft 'Gas geben bis zur letzten Million' singt", wurde kritisiert. "Keine Partei, die es mit dem Schutz der Juden ernst meint, kann mit der FPÖ koalieren." Vertreter jüdischer Jugendorganisationen in Wien betonten zudem: "Wir geben nicht auf." Man werde immer solidarisch mit Israel sein.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erinnerte sich in seiner Rede zurück an einen Besuch in der israelischen Stadt Sderot vor einiger Zeit. Dort habe ihm der Bürgermeister die Bunker zum Schutz vor Raketen sowie die Wasserversorgung für den Gaza-Streifen gezeigt."Er hat mir die Augen geöffnet. Nämlich dafür, wie sehr es dem Staat Israel ein Anliegen war, seine Moralität zu wahren", so Sobotka. Die Hamas hat diese Moralität mit Füßen getreten. Israel darf und müsse sich wehren."
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte, die Territorialität Israel sei für Österreich unabdingbar. "Es macht mich betroffen, dass ich immer wieder über die Frage der Sicherheit Israels reden muss", so Nehammer. Österreich stehe zu seiner Verantwortung aus der Geschichte. "Wir haben lange gebraucht, um es zuzugeben, dass auch Österreicherinnen und Österreicher Mörder und Täter waren. Das war ein schmerzhafter Prozess, aber vor allem ein schmerzhafter Prozess für die Opfer", so Nehammer. "Terror sei niemals eine Antwort. Terror ist das, was uns als Demokratien gefährdet."
Ähnlich äußerten sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sowie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Kogler betonte zudem: "Israels Politik kann man kritisieren, so wie die Politik eines jeden anderen Staates. Aber Terrorakte sind durch nichts zu rechtfertigen." Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) plädierte am Mittwoch auch für "Bildungsarbeit, um gegen das Gift des Antisemitismus aufzutreten".
Für die österreichische Bischofskonferenz nahm Kathpress zufolge der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky teil. Er sprach den Opfern, Angehörigen und allen Trauernden sein Mitgefühl und seine Verbundenheit aus. Caritas Präsident Michael Landau hielt gegenüber Kathpress fest: "Es geht für mich jetzt darum, der Opfer dieser terroristischen Angriffe zu gedenken - derer, die ihr Leben lassen mussten, jener, die verschleppt wurden und all jener, die jetzt unter den Folgen dieses Konfliktes leiden."
Terroristen hatten am Samstag im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas ein Massaker unter israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Die Zahl der Toten liegt nach Armeeangaben bei mehr als 1.200. Mindestens 3.000 weitere Menschen seien verletzt worden. Die Zahl der bei israelischen Gegenangriffen Israels im Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg am Mittwoch nach palästinensischen Angaben auf mindestens 1.100. Über 5.300 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit. (APA/Red)
Bild: FB/Michael Ludwig