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Chronik

Teichtmeister-Prozess: Angeklagter geständig

Schauspieler soll sich von Februar 2008 bis Sommer 2021 verbotenes Material beschafft haben.
W24 Redaktion
Dienstag, 05. September 2023
Verfasst am 05.09.2023 von W24 Redaktion

Nicht ganz pünktlich - exakt um 9.49 Uhr - hat am Wiener Landesgericht der Prozess gegen Ex-Burgschauspieler Florian Teichtmeister begonnen, dem der Besitz und die Herstellung von insgesamt 76.000 Dateien mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen vorgeworfen wird. Der Angeklagte bekannte sich schuldig, alle Vorwürfe seien richtig, sagte der 43-Jährige. Das Urteil wird um 13.15 Uhr verkündet.

Zu Beginn der Erörterung des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Diese wurde wieder zugelassen, als Hofmann auf die Gefährlichkeitsprognose zu sprechen kam. Der Experte betonte, Teichtmeister habe sich "eindeutig in Richtung einer schwer wiegenden und nachhaltigen psychischen Störung" entwickelt und einen "enormen logistischen Aufwand" betrieben, um das Horten von Missbrauchsdarstellungen von unmündigen Kindern "zu bewerkstelligen". Die Grundlagen für die Einweisung in den Maßnahmenvollzug als zurechnungsfähiger, gefährlicher Straftäter im Sinne des § 21 Absatz 2 StGB lägen vor, sagte Hofmann: "Er kommt aus der Höhe der Gesellschaft. Jetzt ist völlig unklar, wie es beruflich weitergeht." Diese Faktoren seien "risikobehaftet".

Die Wahrscheinlichkeit, dass Teichtmeister selbst als Missbrauchstäter je in Erscheinung treten wird, sei schwer zu beziffern, meinte der Psychiater. Hofmann verwies auf eine Statistik, derzufolge diese Wahrscheinlichkeit bei Konsumenten von Kindesmissbrauchsdelikten "irgendwo bei vier Prozent" liege. "Vier von 100 gehen auf Kinder los", stellte Hofmann fest.

Teichtmeister habe aber "aufgrund der bisherigen Entwicklung" die "ernsthafte Chance, auf einen vernünftigen, einen anderen Weg zu kommen", betonte der Sachverständige. Hofmann verwies auf die Psychotherapie sowie die Drogenentzugstherapie, die der Künstler seit zwei Jahren bei "hoch qualifizierten Experten" absolviere. Sollte Teichtmeister diese Therapien fortsetzen und entsprechende Nachweise erbringen und zusätzlich vom Gericht per Weisung Bewährungshilfe sowie absolute Alkohol und Drogenabstinenz angeordnet werden, kommt aus Sicht Hofmanns eine bedingte Nachsicht der Einweisung in den Maßnahmenvollzug in Betracht.

"Ich bin Anfang der 2000-er-Jahre in eine ausgeprägte Pornografiesucht gekommen, die sich in einem langen Konsumverhalten geäußert hat", hatte der Angeklagte zuvor in seiner Beschuldigteneinvernahme erklärt. Sein Unrechtsbewusstsein sei infolge des Konsums von Drogen immer geringer geworden: "Das Problem (das Beschaffen des verbotenen Materials, Anm.) ist seit 2008 virulent geworden und vollkommen eskaliert." Er habe "dazwischen Phasen der Helle und der Selbsterkenntnis, dass das falsch ist" gehabt, diese aber "weggedrückt". Er hätte damals Hilfe wahrscheinlich gar nicht angenommen, räumte der Angeklagte ein: "Die Vernunft war damals nicht stärker als die Krankheit und das Problem." Dabei habe er gewusst, dass er mit dem Beschaffen von Missbrauchsmaterial von Kindern - vor allem im Darknet - "meine Karriere gefährde".

Teichtmeister deutete in seiner Einvernahme mehrfach an, selbst in seiner Kindheit bzw. Jugend Gewalt erfahren zu haben. Das damit einhergehende Ohnmachtsgefühl habe er mit dem Konsum der Missbrauchsdarstellungen kompensiert, das sei auch mit ein Grund, weshalb er tausende Dateien verändert und mit Texten mit Gewaltfantasien versehen habe. In den Jahren 2020 und 2021 habe er deshalb besonders viele Dateien abgespeichert, weil er "beruflich nicht gefragt" gewesen sei: "Ich war in dieser Zeit nicht gebraucht und gewollt." Er habe damals auch drei Gramm Kokain pro Tag konsumiert, und das über Monate hinweg: "Ich war nie nüchtern."

"Heute weiß ich, dass es ohne Konsumenten keine Nachfrage gibt. Heute weiß ich, welches Leid diese Kinder erfahren haben, die auf diesen Abbildungen drauf sind", betonte Teichtmeister. Er sei in "Phase des absoluten Kontrollverlusts" geraten. "Ich wollte erwischt werden. Es war eine Erleichterung, ich wusste, dass es damit vorbei ist", bemerkte der Künstler. Er befinde sich mittlerweile in therapeutischer Behandlung und sei hinsichtlich aller Suchtmittel - Alkohol, Drogen und pornografisches Material - "absolut abstinent".

"Wo sehen Sie sich in einem, in fünf Jahren?", wollte Richter Stefan Apostol vom Angeklagten wissen. "In einer verfestigten Therapie und in einem aufrechten Arbeitsverhältnis", erwiderte der 43-Jährige, wobei er darauf verwies, eine Jobzusage zu haben. "Ich hänge nicht der Vorstellung an, dass ich auf die Bühne zurückkehre", meinte Teichtmeister. Er sei ja nicht nur Schauspieler, sondern auch ausgebildeter Kultur-Manager und wolle allenfalls auch "abseits des Rampenlichts" arbeiten, da ihm eine Tagesstruktur wichtig sei: "Ich bin bereit, jede Arbeit anzunehmen. Ich möchte selbst arbeiten und dem Staat nicht auf der Tasche liegen."

Am Rande kam Teichtmeister auch auf das enorme mediale und öffentliche Interesse zu sprechen, die sein Fall hervorgerufen hatte: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass an meiner Person so ein Interesse besteht. Dass es solche Ausmaße annimmt, habe ich nicht erwartet."

Der Große Schwurgerichtssaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, auch auf der Galerie drängten sich am Verfahren Interessierte. Der Angeklagte hatte über einen Seiteneingang den Saal betreten, wobei Teichtmeister einen Dreiteiler und eine Brille trug und frisch rasiert war. Das Publikum verhielt sich erstaunlich ruhig, es kam zu keinerlei Störversuchen.

Staatsanwältin Julia Kalmar warf dem Ex-Burgschauspieler vor, sich von Februar 2008 bis Sommer 2021 verbotenes Missbrauchsmaterial beschafft und auf 22 Datenträgern - darunter zwei Smartphones, zwei Laptops, einem Desktop und drei externen Festplatten - abgespeichert zu haben. Ursprünglich war Teichtmeister seitens der Staatsanwaltschaft lediglich der Besitz von verbotenen Missbrauchsdarstellungen unterstellt worden. Richter Stefan Apostol ließ allerdings von einem Datenforensiker eine ergänzende Auswertung der sichergestellten Daten - immerhin rund 23 Terabyte - vornehmen, was die Sicht der Dinge änderte: 34.696 Dateien hatte Teichtmeister verändert, indem er diese bearbeitete, Collagen erstellte, Diashows und Videosequenzen anfertigte, was rechtlich als Herstellung zu qualifizieren ist und einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren unterliegt.

Auf diese veränderten Dateien ging Kalmar in ihrem Eröffnungsvortrag ein. Teichtmeister habe diese "mit pädo-sexuellen Texten" versehen, aus denen die Staatsanwältin minutenlang Passagen zitierte. Sie habe "so etwas" in ihren 16 Jahren bei der Staatsanwaltschaft noch nicht gesehen, sagte Kalmar. Sie bescheinigte Teichtmeister "Gewaltfantasien", die Ausdruck einer "sexuellen Devianz mit pädo-sexuellem Inhalt" sei. Teichtmeister gab - vom Richter damit konfrontiert - zu, diese Texte seien "schrecklich", es handle sich um "verdichtete Grauslichkeiten".

Insgesamt sind 76.000 Dateien verfahrensgegenständlich, wovon sich rund 47.000 auf Darstellungen von unmündigen Minderjährigen, der Rest auf mündige Minderjährige, also Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 bezieht. Für den Fall eines Schuldspruchs hat Staatsanwältin Kalmar zusätzlich die Unterbringung des Schauspielers im so genannten Maßnahmenvollzug beantragt. Ausschlaggebend dafür ist ein psychiatrisches Gutachten, das dem Schauspieler eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung bescheinigt. Die Entscheidung, ob und inwieweit bei einem allfälligen Schuldspruch dem staatsanwaltschaftlichen Unterbringungsantragantrag stattgegeben wird - auch eine bedingte Nachsicht der Maßnahme käme in Betracht - obliegt dem Schöffensenat unter Vorsitz von Richter Apostol.

Der Eingang zum Gerichtsgebäude und auch zum Saal wurde von einem Großaufgebot der Polizei überwacht. Einige Manifestantinnen und Manifestanten hatten schon um 8.30 Uhr vor dem Landesgericht für den Kinderschutz demonstriert. Personen mit Transparenten wurden nicht ins Gebäude gelassen, was zu Unmutsäußerungen führte.

Florian Teichtmeister befand sich zu diesem Zeitpunkt längst im Landesgericht für Strafsachen. Er hatte das Gericht um 7.25 Uhr über einen Seiteneingang betreten - deutlich mehr als zwei Stunden vor dem offiziellen Verhandlungsbeginn. Er entging damit allfälligen Konfrontationen. Teichtmeister wurde von seinem Anwalt Rudolf Mayer und Personenschützern begleitet, die Mayer dem Vernehmen nach aus seinem Boxverein rekrutiert hatte. Weitere anwaltliche Unterstützung erhielt der Schauspieler von Philipp Wolm. (APA)

Bild: Theater Österreich