Ver-Fremden und Distanz-Nehmen: Dieter Nuhr im Kunstforum
Dieter Nuhr liebt die Distanz - im örtlichen Sinne wie beim Blick auf die Gesellschaft. Der deutsche Starkabarettist, der ob seiner prononcierten Haltungen ebenso gefeiert wie kritisiert wird, lebt diese Haltung nicht nur auf der Bühne. Seit vielen Jahren ist Nuhr auch erfolgreicher bildender Künstler, dessen Arbeiten weltweit zu sehen sind. Nun zeigt das Wiener Bank Austria Kunstforum erstmals eine Ausstellung des 63-Jährigen in Österreich.
"Woanders ist überall" lautet der Titel der Schau, die auf 900 Quadratmetern überwiegend großformatige Bilder versammelt und den Auftakt zu einer Tournee darstellt, die bis 2028 an insgesamt zehn Stationen Halt machen wird. In seiner neuen Serie kontrastiert Nuhr Reisebilder mit Aufnahmen seiner Heimat, dem Ruhrgebiet. Die fotografischen Vorlagen werden dabei stilistisch soweit verändert, dass sich eher die Similaritäten als die Unterschiede offenbaren. Das Fremde wird vertraut, das Vertraute fremd.
Dazu bearbeitet der 63-Jährige seine Aufnahmen digital nach, bisweilen auch mit analogem Pinsel, wobei sich Letzteres erst in den vergangenen Jahren herauskristallisiert hat. "Ich mag es mittlerweile, eine Art Fingerabdruck auf den Bildern zu hinterlassen und sie dadurch wieder zu einem Unikat zu machen", sinniert Nuhr im APA-Gespräch über diesen neuen Weg.
Schon länger den Arbeiten gemein ist eine Anmutung der Vergänglichkeit. Die Bilder scheinen zu vergilben, Blasen zu werfen wie Celluloid in zu großer Hitze. Auch hiermit geht der Künstler auf Distanz zu seinen eigenen Werken in ihrer ursprünglichen Form, ermöglicht ebenso dem Betrachter in eine reflektierende Distanz zu gehen.
Was die Werke in der Regel hingegen nicht zeigen, sind Menschen. "Menschen auszustellen, die ich fotografiert habe, kommt mir immer distanzlos vor", begründet der Künstler seine Haltung. Die Auseinandersetzung damit verlagert Nuhr in sein zeichnerisches Werk, das als Besonderheit in der Wiener Schau zu sehen ist. Die digital entstehenden Zeichnungen speisen sich aus Archiven, familiären Aufnahmen, aber auch der Auseinandersetzung mit antiken Meistern oder alten Werbeprospekten, deren Models ihrer Umgebung enthoben, auf ihre Haltung, ihre Attitüde reduziert werden. Auch hier schafft die Distanz ein neues Sehen. (APA)