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Ludwig: „In dramatischen Zeiten hätte man über Schatten springen müssen" Ludwig: „In dramatischen Zeiten hätte man über Schatten springen müssen"
Politik

Ludwig: „In dramatischen Zeiten hätte man über Schatten springen müssen"

Wiener Reaktionen zu Nehammer-Rücktritt und Aus der Koalitionsverhandlungen.
W24 Redaktion
Samstag, 04. Jänner 2025
Verfasst vor 2 Tagen von W24 Redaktion

Karl Nehammer zieht sich nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ als Kanzler und ÖVP-Chef "in den nächsten Tagen" zurück. Das sagte er am Samstag in einem via Social Media verbreiteten Video. "Nimm dich selbst nicht so wichtig" sei ein Satz, den ihm sein Vater mitgegeben habe. Er werde einen geordneten Übergang ermöglichen, es sei ihm eine Ehre gewesen, dem Land zu dienen. Davor hatte die Volkspartei die Gespräche mit der SPÖ über die Bildung einer neuen Regierung abgebrochen. Eine Einigung sei in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, lautete die Begründung. Der innerparteiliche Druck auf Nehammer war zuletzt gestiegen.

Enttäuschung in Wien

Enttäuscht zeigt sich der Landesparteivorsitzende der SPÖ-Wien, Bürgermeister Michael Ludwig. "In dramatischen Zeiten wären alle gefordert gewesen, über ihren Schatten zu springen. Kompromisse sind in der Demokratie notwendig", befand er in einer Mitteilung. Die Kräfte der politischen Mitte müssten an einem Strang ziehen. "Leider hat heute Ideologie über Pragmatismus obsiegt, leider wurde heute Parteiwohl über Staatswohl gestellt."

Nun drohe eine FPÖ-Regierungsbeteiligung. Die FPÖ wolle Fahndungslisten gegen politische Mitbewerber anlegen, würdige Medienvertreterinnen und -vertreter herab und rüttle an den Grundfesten der liberalen Demokratie. "Karl Nehammer hatte es immer abgelehnt, Steigbügelhalter für einen Kanzler Kickl zu sein. Nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ droht jedoch genau dieses Szenario." Die Republik sei am Scheideweg, warnte Ludwig. "Meine Aufgabe wird es sein, in Wien alles daran zu setzen, dass wir auch in Zukunft in einer Stadt leben, wo das Miteinander gelebt wird und wo alle aufeinander schauen", hielt Ludwig fest - wohl im Hinblick auf die heuer stattfindenden Gemeinderatswahlen.

ÖVP Wien dankt Karl Nehammer

ÖVP Wien-Chef Karl Mahrer dankt Samstagabend dem scheidenden Bundeskanzler und ÖVP -Bundesparteiobmann: „Karl Nehammer hat unser Land mit großem Verantwortungsgefühl durch viele Krisen geführt. Diese staatspolitische Verantwortung hat er auch stets bei den Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung in den Vordergrund gestellt!“ Gleichzeitig kritisiert Mahrer die SPÖ: "Babler hat die SPÖ in eine ideologische Handlungsunfähigkeit geführt. Die vernünftigen Kräfte in der SPÖ konnten sich nicht durchsetzen. Der Einfluss der einst mächtigen Wiener SPÖ ist geschwunden."

Nepp erwartet "Umdenken" bei Volkspartei

Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp sprach sich im Interview mit der ORF-Sendung "Wien Heute" dafür aus, dass es nun Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ geben solle. In der Volkspartei sei hier ein "Umdenken" nötig, befand er. Für den Fall einer Neuwahl sollten allerdings Wien-Wahl und Nationalratswahl an einem Termin zusammengelegt werden: "Denn so erspart man sich auch viel Kosten in Zeiten eines knappen Budgets." Die Wiener Gemeinderatswahl würde plangemäß heuer im Herbst stattfinden.

Wiener Grüne: "Aus 'kein weiter wie bisher' wurde ein 'schlimmer als je zuvor.'"

Die Wiener Grünen mit ihren Parteivorsitzenden Judith Pühringer und Peter Kraus kritisieren am Samstagabend: "Eines eint ÖVP, SPÖ und Neos jetzt doch: Alle drei Parteien flüchten vor der Verantwortung, inmitten dieser krisenhaften Zeit eine tragfähige Regierung auf die Beine zu stellen. Und das nach fast 100 Tagen gemeinsamer Verhandlungen." Sie sehen dadurch den Weg für Rechtspopulisten und Rechtsextreme geebnet. so Pühringer und Kraus in einem schriftlichen Statement.

Van der Bellen meldet sich Sonntag zu Wort

Wie es nun weiter geht, war vorerst unklar. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ sich noch am Samstag informieren, weitere Schritte will er am Sonntag setzen. Das Staatsoberhaupt hatte ja Nehammer persönlich den Regierungsbildungsauftrag erteilt und nicht FPÖ-Chef Kickl als Obmann der bei der Nationalratswahl stimmenstärksten Partei. Van der Bellen begründete dies damit, dass sowohl Volkspartei als auch Sozialdemokraten nicht mit den Freiheitlichen koalieren wollten. Ersteres könnte sich nun geändert haben. Mehr dürfte man nach den ÖVP-Gremien am Sonntag wissen. (apa/red)

Fotocredit: Stadt Wien, PID